Stiefmutter Heimat – Meine Mutter, das gestohlene Kind im Theater unterm Dach

Die Vergangenheit in die Gegenwart geholt

Mutter und Tochter. Tochter und Mutter. Enger kann eine Verbindung im Leben zweier Menschen wohl kaum sein. Wicki Kalaitzi nimmt die Geschichte ihrer Mutter Lenka, die Opfer der so genannten „Kinderverschickung“ im griechischen Bürgerkrieg wurde, um sich auf künstlerisch-performative Art und Weise mit der Psychologie ihrer Mutter auseinanderzusetzen und ihr Schicksal in den Fokus unserer heutigen Generation zu rücken.

Das kleine aber feine Berliner „Theater unterm Dach“ scheint ein Händchen zu haben, wenn es um Stückeauswahl mit gesellschaftlicher Relevanz in Kombination mit feinsinnig-intelligenter Tonalität geht: Nun also Stiefmutter Heimat – Meine Mutter, das gestohlene Kind von Wicki Kalaitzi und Lenka Kalaitzi.
Die Besucher*innen werden auf eine „künstlerisch dokumentarische Zeitreise“ mitgenommen: Lenkas Odyssee führt uns durch Albanien, Jugoslawien, Bulgarien und Rumänien in ein Breslauer Kinderheim, Leipzig und 1981 nach West-Berlin, wo sie bis heute lebt. Lenkas Tochter Wicki rückt das Schicksal ihrer Mutter in den Fokus: sensibel, mit Augenmaß, berührend, hintergründig.

Wicki Kalaitzi erzählt auf der Bühne in monologhafter Form - im Hintergrund der Bühne wird die Mutter Lenka eingeblendet. Ihre unschönen Erlebnisse in der Kindheit kann man der hübschen älteren Frau mit der aparten Ausstrahlung nicht ansehen. Doch sie gibt Einblicke in ihre Kindheit, authentisch, aber mit dem Ton der Distanz, der zu suggerieren scheint, dass es mehr Verletzungen geben könnte, als das, was der Abend den Zuschauer*innen Preis gibt.

Dass die Tochter ihre Mutter liebt und verehrt, scheint klar; durch die künstlerische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ihrer Mutter will Kalaitzi eine Sensibilisierung für das Jetzt kreieren : Sollten wir uns alle doch von Humanismus und Verständnis leiten lassen, und nicht von Egoismen, Gier und anderen Verhaltensweisen, die zu Krieg und Konflikten führen.

Ein sensibler Theaterabend, der eine nicht allzu präsente Facette der Vergangenheit in die Gegenwart holt.