Die Zirkusprinzessin im Hannover, Staatsoper

Verweigertes Happy End

Mit schöner Regelmäßigkeit mündet das Finale des zweiten Aktes nicht allein einer Kálmán-Operette im Eklat, der das Liebespaar zu entzweien droht. Dies aber nur, damit der Folge- und zugleich Schlussakt die Verwicklungen, Verwirrungen und Konflikte glücklich auflösen kann. Das Ganze mündet in eitel Wohlgefallen. Nicht so in Hannover. An der Leine fällt der dritte Akt der Zirkusprinzessin aus. Der Eklat zum bösen Ende des Zweiten verläuft tödlich. Denn nachdem der aus seinen vorgeblich noblen Kreisen fortgejagte und nun als Trapezkünstler unter dem Pseudonym eines „Mister X“ sich beim Zirkus verdingende Fedja Palinski neuerlich von der zaristischen Adelskamarilla brüskiert wurde und die eigene hochnoble Angetraute ihn verstoßen hatte, springt der Unglückliche aus schwindelerregender Höhe in den Tod. Verblüffend, wie folgerichtig der mortale Schluss daherkommt. Denn gar zu perfide ist die vom Prinzen Sergius Wladimir ins Werk gesetzte Intrige. Unsagbar brutal wurde von diesem Mitglied der Zarendynastie des adeligen Artisten Liebe zu einer hochfürstlichen Dame instrumentalisiert. Dem durch die prinzlichen Machenschaften entfremdeten Paar bleibt die gemeinsame Zukunft verwehrt.

Regisseur Felix Seiler schildert die obwaltende aristokratische Erbarmungslosigkeit zunächst als unterschwellige Gegenströmung zur an der Oberfläche perfekt servierten Operettenseligkeit einer Welt, in der selbst Standeskonflikte lösbar scheinen. Einer Welt schneidiger Husarenoffiziere und fescher Zirkusmädel. Einer Welt, in der Mister X und seine Fürstin zusammenfinden dürfen. Fortschreitend aber erweist sich das vermeintlich Unterschwellige als reißende Flut, in der alles Nichtkonforme untergehen muss. Unheil verheißend der „Husarenmarsch“, in dem die aristokratische Soldateska jungen Frauen offen mit Vergewaltigung droht. Timo Dentler und Okarina Peter siedeln die Ereignisse in einer Winterlandschaft an. Schattenspiele hinter einem die Manege umgebenden halb transparenten Vorhang deuten die Auftritte der Artisten an. Den Saal im Palais des Prinzen Sergius Wladimir dominiert ein höchst wandelbarer Kronleuchter, der am Ende wie zur Apotheose des mit zerschmetterten Gliedern am Boden liegenden Mister X gleich einem Raumschiff zu einem besseren Planeten in den Bühnenhimmel aufsteigt. Dentler und Peter stecken die Herren in - ob schwarz-weiß oder bonbonfarben – attraktive Husarenuniformen. Mister X wechselt zwischen Zorrolook und pelzbesetztem Frack. Mondän gewandet sind auch die Damen.

Musikalisch erfüllt die Produktion zahlreiche Wünsche. Versiert meistert der von Lorenzo Da Rio einstudierte Chor des Hauses seine nicht übermäßig umfangreiche Partie. Giulio Cilona bevorzugt mit dem Niedersächsischen Staatsorchester Hannover einen oft aufgerauten, mitunter ruppigen Klang, aus dem die Celesta wie eine vergiftete Verheißung tönt. Marius Pallesen legt sich vehement und beinahe heldentenoral kompakt für Mister X ins Zeug. Zweifellos wird Pallesens Rollenporträt im Lauf der Aufführungsserie an Eleganz gewinnen. Apart und stilsicher in jeder Hinsicht gibt Mercedes Arcuri die Titelpartie, eine Operettendiva par excellence. Bestens besetzt ist das Buffopaar. Herzig und mit Pfiff verkörpert Philipp Kapeller den Wiener Hotelerben und Zirkusfan Toni Schlumberger. Nikki Treurniet ist die Prachtausgabe des Zirkusmädels Mabel Gibson. Jenseits des Soubrettengezwitschers deuten sich bei Treurniet bereits größere Formate an. Daniel Eggert ist der gefährlich-durchtriebene Prinz Sergius Wladimir. Carmen Fuggiss macht aus der Hoteldirektorswitwe Carla Schlumberger ein schauspielerisches Kabinettstück.