Wirrkopfs Phantasiewelt
Zuerst: Gesungen wurde am auf Qualität bedachten Haus so gut wie schon lange nicht mehr. Es mag am enormen Schwung liegen, den GMD Elias Grandy mit dem Philharmonischen Orchester Heidelberg aus dem Graben heraus entfachte, aber ebenso auch an der Regie von Andrea Schwalbach. Sie setzte das Spiel um die Traumwelten eines Wirrkopfs namens Hoffmann (hinter dem sich der Mitbegründer der Phantastischen Literatur E. T. A. Hoffmann versteckt oder besser offenbart), nicht nur sehr quirlig um, sondern würzte ihre Sicht nmit viel Ironie bis hin zur Groteske. Dieser Ansatz kam umso mehr zur Geltung, als er sich in der gut überschaubaren Rahmung des Bühnenbilds abspielte: Leicht schräg gestellter Raum, mit ein paar Bücherregalen, aber auch banaler Wunderkammer des Physikers Spalanzani ausstaffiert. Auch für den „Venedig“-Akt taugt die Bühne, wenn große rechteckige Öfnnungen den Blick auf lichte Lagunen-Optik öffnet. Kann auch anders gedacht werden, egal, die Assoziationen sind frei.
Gesungen wird in französischer Sprache, die Leitfäden der Handlung kann man der Übertitelungsanlage entnehmen. Aber das Stück, beziehungsweise die Regie sind selbsterklärend. Andrea Schwalbach zeigt die Titelfigur eher als Biedermann, der in seinen Träumen von einer unglücklichen Liebe in die nächste stolpert. Zurab Zurabishvili singt ihn großartig. Sein (Helden)Tenor hat Strahlkraft, attraktive Höhen und enorme dynamische Spannweite. Auch die anderen Gesangs-Herren gefallen in Mehrfachrollen. Der Kavalierbariton James Homann, der auch abgründig „kann“; der starke Bass von Wilfried Staber, der Spieltenor Winfrid Mikus‘ und der sauber geführte Bariton von Ip?a Ramanovi?.
Sehr gut besetzt sind die Frauenpartien. Allen voran das Kunstwesen Olympia, von Theresa Immerz zappelig wie an Marionettenfäden gespielt und mit raffinierten Koloraturen ausgestattet. Schöne Lyrismen verströmt „Antonia“ Alyona Rostovskaya, sie muss sterben, offenbar an Schwindsucht, man fühlt sich an die Kameliendame erinnert. Mit viel variablem Timbre ausgestattet der Mezzo von Vera Semieniuk, die als Muse einige Handlungsfäden steuert. Als lustbetontes Weib ausstaffiert tritt Zlata Khershberg als Giulietta auf, ihr Mezzo hat Volumen und Farben. Katharina Ley (Stella, Sprechrolle) und Barbara Link(Stimme der Mutter) vervollständigen das Solisten-Ensemble.
Perfekt tritt der Opernchor (natürlich mit Extrachor) auf. Starke Ausstrahlung im Gesang, bewegungsfroh geführt mit choreografischen Pointen gespickt und teils skurril kostümiert.
Stellvertretend für die Orchesterleistung sei Solocellist Johann Aparicio Bohórques genannt, der Jacques Offenbach mit einem Bach-Einschub glänzen lässt.
Ein sehr guter Einstieg in die Heidelberger Opernsaison.