Viel Suff in der Bar Ithaka
Für kleinere Schlagzeilen sorgte vor Kurzem der Spargel-Ort Schwetzingen. Nicht des Gemüses wegen, sondern weil die Landes-Schlösserverwaltung das Rokoko-Theater in Pigage-Theater umbenennen wollte, nach dem Architekten des wunderschönen Gemäuers plus Gartenanlage, die als Touristenmagnet für örtlichen Wohlstand sorgen. Doch der Volkszorn hat sich durchgesetzt, weshalb das Opern-Spektakel ohne Namensänderung im angestammten Raum in Szene gesetzt wurde.
Die Rede ist vom Ulysses des deutschen Komponisten Reinhard Keiser, der in Hamburg zu Ruhm und Ehren kam und dessen Ulysses 1722 in Kopenhagen uraufgeführt wurde. Ein großartiges Werk, dessen sich das Theater Heidelberg für sein Barockfestival „Winter in Schwetzingen“ angenommen hat. Mit viel Liebe, Raffinement und Kennerblick. Denn Dirigent Clemens Flick hat einiges an der Musik renaturiert, ergänzt und instrumentiert, während Co-Opernchef Thomas Böckstiegel das Libretto nebst Handlung charmant und witzig modernisierte.
Da passt viel zusammen. Während in der „Bar Ithaka“ die Helden von einst als Normalos von Heute heftig dem Seelentröster Alkohol zusprechen, grübelt am seitlichen Schreibtisch ein gewisser Dichter Homer (Klaus Brantzen) am Text. Die Musen haben ihn verlassen, die Handlung gerät ihm durcheinander, die Gänsefeder kratzt übers Pergament. Da rettet er sich zwischendurch in den Moritaten-Gesang. Derweil tönt aus dem Graben Erstaunliches, denn das Philharmonische Orchester, seit vielen Jahren während des Barocktrubels an historisch informierte Spielweise gewöhnt, spielt differenziert und temperamentvoll gleichermaßen, angefeuert vom Dirigenten, der die vielschichtige Musik von Reinhard Keiser dynamisch entwickelt und pulsieren lässt. Auffällig die variable Instrumentierung, die immer für (positive) Überraschungen gut ist. Die Musik von Keiser hat es verdient, aufgeführt und bewundert zu werden.
Die Sänger-Darsteller machen ihre Sache gut bis sehr gut. Vor dem Tresen und neben der gut gefüllten Bar eilen sie hin und her, gönnen sich auch mal ein Quäntchen Ruhe und singen sehr schön. Henryk Böhm gefällt mit rundem, gepflegtem Bariton, während sein Gegenspieler um Penelope, Urilas, durch Andrew Nolen mit herrischem Bass argumentiert. Immerhin hat er Winde zu beschwören, um Ulysses zu zerstören. Penelope findet in Jutta Böhnert eine lyrisch geformte Sopranstimme, die intrigante Buhlerin Circe hingegen hat durch Dora Pavlíková starken Ausdruck mit Mezzo-Timbre und physische Präsenz. Theresa Immerz lockt als Cephalia ihren Euriloclus mit hellen Koloraturen, den João Terleira mit angenehmer Tenorstimme darstellt. Die beiden Amouretten, Manuela Sonntag und Elena Trobisch, halten das Spiel am Laufen und Ulysses den Spiegel der Selbsterkenntnis vor.
Nun, Wind, Blitz und Donner plus gutes Ende zitieren denn doch das Barock-Zeitalter; ein überdimensionierter, knorrig-verdorrter Baum strukturiert die Bühne – da war doch noch was mit Bar und Mix-Getränken..
Die Macher dürfen mit sich zufrieden sein, das Publikum ist es auch.