Hollywood-Glamour statt Königskrone
Zwei Monate nach der Uraufführung am 28. März 1934 im Theater an der Wien lief die Abraham-Novität en suite. Dann war Schluss für ein Werk, das sich zunächst auf ähnlicher Erfolgsbahn bewegte wie die zuvor in Berlin aus der Taufe gehobenen Operetten Viktoria und ihr Husar, Die Blume von Hawaii und Ball im Savoy. Abraham war auf das Deutsche Reich als Verbreitungsraum und Multiplikator für sein musikalisches Unterhaltungstheater zwingend angewiesen. Dort aber war der ungarische Staatsbürger unerwünscht, sein Werk geächtet. In Wien fand er sich mit seinen Stammlibettisten Alfred Grünwald und Fritz Löhner-Beda für Märchen im Grand-Hotel zusammen. Spätestens die szenische deutsche Erstaufführung vom November 2018 im Mainzer Staatstheater (theaterpur.net berichtete über die glänzende Premiere hier ) erwies die „Lustspiel-Operette“ als eines von Abrahams chefs d'oeuvre. Seither dringt sie ins Repertoire vor. Am Staatstheater Cottbus erobert sie in einer Koproduktion mit dem Staatstheater Nürnberg die Bühne.
So lässt denn auch in der Kapitale der Niederlausitz Regisseur und Choreograf Otto Pichler Filmmogulstochter Marylou Makintosh durch Hollywood-Filmstudios und den titelgebenden Beherbergungsbetrieb an der Riviera wirbeln, um sich ihrem Vater – dessen Vorstellungskraft zu einer Frau in Führungsposition nicht ausreicht - als Unternehmensnachfolgerin zu beweisen. Marylou erfindet stracks die Doku-Fiktion, spannt dafür die von der Revolution vertriebene spanische Thronfolgerin samt deren hochadeliger Entourage ein und erwirbt so das Ticket an die Spitze des väterlichen Unternehmens. Während die Filmmogulstochter forsch und blitzgescheit den Amerikanischen Traum auch für Frauen verwirklicht, realisiert Infantin Isabella langsam aber gewiss die Überständigkeit ihrer monarchischen Attitüde. Den Ansprüchen auf die spanische Krone entsagend, besteigt sie den Thron der Hollywood-Diva. Regisseur Pichler arbeitet die Metamorphose in nachvollziehbaren Schritten heraus. So unterschiedlich die jeweiligen gesellschaftlichen Rollen auch sind, als Drama-Queen ist Isabella in beiden gut aufgehoben. Zum Sinneswandel trägt ferner die Liebe bei. Wie Pichler den inkognito als Praktikanten im Hotel Berufserfahrung sammelnden Erben des glamourösen Beherbergungsbetriebs die Infantin unermüdlich anschmachten lässt, gewinnt Prinzessin und Publikum. Eingebettet ist alles dies in Pichlers rasante broadwaytaugliche Choreografie. Jan Freese bietet für die Hollywood-Rahmenhandlung Kinogestühl und monumentale King-Kong-Halbfigur auf, das Grand-Hotel ist ein Plüschtempel in Pseudorokoko. Umwerfend Falk Bauers Kostüme, für die sich Glamour und Ironie die Hände reichen. Marylou agiert in Silberfrack und frechen Dessous, Isabella in luxuriösen Roben.
Ebenso wie die szenische Seite überzeugt – mit kleinen Einschränkungen – die musikalische. Abraham hat den Chor durch ein Quartett in Commedian-Harmonists-Manier ersetzt. In Cottbus hat Christian Georgi die vier Herren einstudiert. An intonatorischer Sicherheit und Feinabstimmung dürfen sie noch gewinnen. Johannes Zurl legt mit dem Philharmonischen Orchester des Staatstheater Cottbus recht robust und rhythmisch ein wenig indifferent los, doch schwingen sich Kapellmeister und Klangkörper bald auf Jazziges samt Tango, Fox und Walzer ein. Maria-Danaé Bansen vereinbart für Marylou Makintosh tänzerische Verve mit ihrem ebenso schlanken wie agilen und durchschlagskräftigen Sopran. Charismatisch die Infantin Isabella der Anne Martha Schuitemaker. Vokal und schauspielerisch erweist sich die junge Niederländerin als Operettendiva von Rang. Unwiderstehlich sind Esprit, Ironie und lässiger Chic, bezwingend die ebenso volle wie runde Tongebung auf sanglich hocheleganter Linie. Den vermeintlichen Zimmerkellner und tatsächlichen Hotelerben Albert gibt grundsympathisch Jörn-Felix Alt als das, was die Rolle unbedingt erlaubt, eine Musicalpartie in Gershwinnähe. Seinem freilich aussichtslosen Nebenbuhler Prinz Andreas Stephan verleiht Jens Janke liebenswert-dekadente Buffoqualitäten. Aucalle weiteren Solistinnen Solisten tragen zur Ensembleleistung aus einem Guss bei.