Übrigens …

Wenn ich den See seh im neue Bühne Senftenberg

Seebeben

Das Publikum naht zu Land und am Wochenende bisweilen auch zu Wasser. Ein Ausflugsschiff verkehrt dann zwischen dem Senftenberger Stadthafen und dem „Amphitheater“, der vom neuen Theater Senftenberg neben dem Schauspielhaus unterhaltenen Sommerspielstätte. Zu DDR-Zeiten firmierte der Senftenberger Musentempel im damaligen Braunkohlerevier unter „Theater der Bergarbeiter“. Armin Mueller-Stahl, Frank Castorf und Michael Thalheimer traten von hier aus ihre Karrieren an. Der Spielplan überzeugte mit den jeweiligen Novitäten von Heiner Müller und Volker Braun. Heute versteht sich das inzwischen auch als Landestheater fungierende Haus als soziokulturelles Zentrum für die Region. Immer wieder steht die Lebenswelt des Publikums im Zentrum der Produktionen. 50 Jahre Senftenberger See geben Anlass, diese aus komödiantischer Sicht zu betrachten. Denn die Braunkohletagebauregion in eine Seen- und Urlaubslandschaft umzumodellieren, erreichte 1973 mit der Einweihung des Strandabschnitts vor dem heutigen Amphitheater eine erste Zielmarke. Intendant Daniel Ris, gebürtiger Leverkusener, und seine aus dem Osten Berlins stammende Chefdramaturgin Karoline Felsmann bedienen sich für ihre Revue Wenn ich den See seh des Bunter-Abend-Formats, um es mit dem roten Faden der Tourismusgeschichte am Senftenberger See zu durchwirken. Pate standen TV-Shows aus Ost und West. Ein Kessel Buntes und Willkommen bei Carmen Nebel lassen grüßen. Die als Moderatorin der Gala zum See-Jubiläum gebuchte Carmen Nebel ist es denn auch, die statt in der Niederlausitz im niederösterreichischen Senftenberg landet, der Partnerstadt ihrer brandenburgischen Namensvetterin. Via E-Mail-Korrespondenz dorthin gelockt wird sie von der auf die große Karriere als TV-Moderatorin hoffenden Souffleuse Peggy. Mangels Alternative springt die textsichere Einflüsterin tatsählich für die Moderatorinnen-Legende ein und bringt die Show unerachtet des einen oder anderen Zwischenfalls über die Runden. So zieht sie sich aus der Affäre, wenn die in die Sendung hineinbugsierten dienstältesten Camper am See zugeben, nur aus Gewohnheit zu bleiben und Mexiko auch eine lohnende Destination wäre oder das singende und tanzende Show-Ensemble seine Zwistigkeiten coram publico austrägt, statt mit Ost-, West- und Welthits der vergangenen Jahrzehnte aus Rock, Pop und Schlager für Stimmung zu sorgen. Hausherr und Regisseur Ris setzt auf flottes Tempo und präzises Timing. Strategisch ausgefuchst visiert er Tumult und Inzidenzen an. Die Pointen dürfen effektsicher zünden und krachen. Ris kann sich dabei auf Spielerinnen und Spieler verlassen, die mindestens achtbar, mehrheitlich aber recht gut und besser singen. Zwar wurde die Musiktheater-Sparte bereits 1993 abgewickelt, dennoch stemmte das Haus in der gegenwärtigen Spielzeit eine Cabaret-Produktion. Sangliche Fähigkeiten sind unbedingt ein Plus für eine Bewerbung in Senftenberg. Lena Conrad schwingt sich beherzt zur Carmen Nebel der Niederlausitz auf. Virtuos jongliert sie mit den Bällen, die ihr von der Intrigenhandlung um die genasführte Moderatorinnen-Prominenz und den Pannen auf der Bühne zugeworfen werden. Sybille Böversen und Mirko Warnatz präsentieren sich als Camperehepaar aus dem Bilderbuch. In Gestalt der das entsprechend aufbereitete Seewasser als Schlankheits-, Verjüngungs- und Potenzmittel anpreisenden Unternehmerin Clarissa May weiß Marianne Helene Jordan zu überzeugen. Im Verein mit Julian Bender, der zudem die flottte Choreografie verantwortet, Erik Brünner, Clara Luna Deina, Robert Eder und Matthias Manz vom Show-Ensemble rockt sie das Auditorium. Die „Tanzkapelle Labskaus“ unter Benjamin Rietz erweist sich als absolut firm in allen musikalischen Stilrichtungen der Produktion. Das kleinteilige Splitterwerk von Steven Koops Bühne kommentiert knallig-bunt die schrille Handlung. Gabriele Kortmanns Kostüme nehmen Showbizz und Camperwesen auf die Schippe. Keine Frage, der See bebt. Die Senftenberger Revue sticht die TV-Konkurrenz mühelos aus. NiederlausitzerInnen und TouristInnen sind aus dem Häuschen.