Übrigens …

Eugen Onegin im Theater Heidelberg

Gefangen im Karussell der Gefühle

Eigentlich eine banale Geschichte. Eine Mutter will ihre beiden Töchter unter die Haube bringen. Doch die Männer bringen das gutherzige Unterfangen durcheinander. Am Ende ging die Verträumte, nachdem Onegin ihr einen Korb gegeben hatte und 20 Jahre später das Versäumte wieder gut machen möchte, eine Vernunftehe ein, während die Quirlige leer ausgeht. Allerdings durch eigene Mitschuld, hat sie doch durch Koketterie der eigentlich vorhersehbaren Geschichte einen dramatischen Dreh gegeben. So etwa könnte in Kurzform der Inhalt von Peter Tschaikowskys Oper Eugen Onegin umschrieben werden. Naturgemäß aber wird aus der Liebe und ihren Irrwegen ein Seelendrama, das unabhängig von Zeit (Feudalgesellschaft im Zarenreich) und Umständen (eingeengtes Leben auf den Lande) einen großen emotionalen Sog entfachen kann.

Das ist am Theater Heidelberg mit der Neuproduktion von Eugen Onegin gelungen. Zum einen durch die ganz auf die Befindlichkeiten der Figuren konzentrierte Regie von Sonja Trebes, wozu auch die entschlackte, mit sparsamster Möblierung auskommende Bühnengestaltung von Dirk Becker beiträgt. Zum anderen aber die ausgezeichnete Gesangsleistung, denn das Haus hat – um im Fußball-Slang zu bleiben – für die neue Saison sehr gut „eingekauft“. Allen voran Indre Pelakauskaite als Tatjana, die aus lyrischer Grundierung heraus ihren jugendlich-dramatischen Sopran in vielen Farben und Facetten leuchten lässt und diesem ganz in den Büchern verträumten Mädchen nahegehendes Profil verleiht. Tenöre räumen ab. Das kann auch Jaesung Kim als Dichter und Gutsnachbar Lenski für sich beanspruchen, dessen tenorales Debüt am Haus glückte: eine attraktive Stimme mit sauberem Sitz und schönem Timbre, die hier Erwartungen weckt. Beide neu im Ensemble, das sehr wohl gut besetzt ist. Im Karussell der Gefühle trumpft Ipca Ramanovic in der Titelfigur mit geschmeidigem Kavalierbariton und klarer Figurenzeichnung auf. Als quirlige, „unreife“ Olga lässt Zlata Khershberg-Reith mit ihrem Mezzo aufhorchen, und Vera Semieniuk setzt ihre präsente Altstimme für die Mutter Larina ein, die immer versucht, fürsorglich ihren Töchtern Halt zu geben. Fehlt noch einer? Klar doch. Wilfried Staber, immer eine Bank, singt die Partie des Fürst Gremlin mit sonorem Bass ganz wunderbar. Auch die kleineren Partien sind gut besetzt, angeführt von Ariana Lucas als Amme Filipjewna.

Guter Chor und gutes Orchester, für dessen Qualität stellvertretend einmal die Cello-Gruppe benannt werden sollte. Als Gastdirigent zielte Roland Kluttig auf effektvolle Darstellung, benötigte allerdings den ersten Akt, um eine Balance zwischen Bühne und Graben herzustellen. Am Ende waren alle hoch zufrieden mit dem verheißungsvollen Saisonauftakt.