Klein Saša wird erwachsen
Eigentlich macht Regisseur Nick Hartnagel mit seiner Bühnenfassung aus dem Roman Herkunft von Saša Staniši? ein Zweipersonenstück. Ich-Erzähler trifft auf die immer mehr im Demenz-Nirwana recht heiter lebende Oma. Doch er splittet die Figur. Lässt sie von vier Darsteller(innen) spielen, was die Sache nicht nur auflockert, sondern auch partielle Perspektivwechsel einbaut und erlaubt. Der vor vier Jahren mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichneten Bestseller des mit seinen Eltern vor den Kriegen in Jugoslawien geflohenen Bosniers Saša Stanišic bringt gerade in der konzentrierten Bühnenversion ein seltenes Kunststück zustande: Mit Sprachgefühl und Sprachwitz werden die Themen Flucht und Neuanfang, Erwachsenwerden und Selbstfindung nie oberflächlich, aber immer spielfreudig verhandelt.
Im Theater Heidelberg war das Publikum naturgemäß besonders gespannt auf diese Version, denn der Plot spielt zu wesentlichen Teilen hier. Dort, hoch über dem Talgrund, treffen sich Jugendliche an einer Aral-Tankstelle, um zu grübeln oder Spaß zu haben, auch Händel auszutragen und sich in Obstgärten schüchtern anzunähern. Halt in einer erst fremden Welt, die erschlossen sein will. In Jeans, Turnschuhen und Sweatshirts einheitlich kostümiert spielen die vier Sašas ihre Parts. Vor und hinter einer quer gestellten Wand aus 168 semitransparenten Quadraten. Die sich aus Wut oder Übermut eintreten lassen, die Durchblick, auch Durchgang gewähren. Dahinter werden mit Unschärfe optische Erinnerungsfetzen eingeblendet, von den Bergen voller Mythen, vom heimatlichen Visograd. Verlust und Träume, Hoffnungen und Lebenslust verweben sich. Zeitgeschichte wird reflektiert, denn Ausländerfeindlichkeit bricht auch ins Leben dieses Flüchtlings ein.
Doch die Inszenierung setzt keine Betroffenheits-Mimik auf, wenn voller Ironie und leisem Spott etwa das jahrelange Rencontre mit der Ausländerbehörde reflektiert wird. Es endet mit einem Visum, das ausschließlich für die Tätigkeit eines Schriftstellers gilt. Dem Saša kommt's gelegen und er straft seine verwirrte, berührend gespielte Oma Lügen, die ihm immer sagte: „Du bist ein Esel“.
Das Publikum applaudierte heftig und hofft, dass der Local-Hero sich das Stück auch mal anschaut. Das ist geplant einschließlich Lesung.