Menschheits-Epilog
Keine Frage, auch aus Jelineks jüngstem Stück spricht der Autorin unverkennbare Manier. Was da im vergangenen April in den Münchner Kammerspielen uraufgeführt wurde, bietet die üblichen Textflächen, Satzkaskaden, assoziativen Volten und Kalauer auf. Ein Markenprodukt halt. Doch waltet in dem allen eine unerwartete Milde. Die Textflächen fügen sich geschmeidiger der dialogischen Einrichtung, der Witz ist weniger scharfzüngig als gewohnt und die Betriebstemperatur der Volten und Kalauer gemäßigt. Die Erde bietet wenig, worüber sich noch aufregen ließe. Der Planet ist hin. Zu Asche und Plastikmüll zerfallen. Die Menschheit war ein schlechter Gast auf Erden. Nun ist es um sie geschehen. Weder der Aufbruch zur Suche nach neuen Habitaten im All, noch der Rückzug unter die Erde oder das Exil im Paralleluniversum eröffnen Aussicht auf Rettung. Der Mensch vegetiert auf den Ruinen seiner Hybris, der Hochmut der Spezies zielte ins Leere. Die Autorin hat sich ausgewütet. Ihr einstiger Furor zeigt sich in Trauer verwandelt. Wortreich noch immer. Doch eine Suada unmittelbar vor der Menschheit endgültigem Verstummen. Zudem ganz persönliche Trauerarbeit. Im vorvergangenen Jahr verlor Jelinek ihren Ehemann. In Hannover zeigt sich das elegische Moment des Werks mit beinahe trostreicher Gebärde. Oft lässt Regisseurin Lilja Rupprecht das Ensemble eher zurückhaltend agieren. Immer wieder herrscht ein Sich-Bescheiden und Zögern, aus dem beredt die mit dem Trauern verbundene existentielle Ratlosigkeit spricht. Hoffnung besteht nicht, doch zur Verzweiflung kein Anlass. Es gibt einfach nichts mehr, woran sich noch verzweifeln ließe. Anflüge von Witz und Scharfsinn helfen über manche Unbill hinweg. Die, was das Ziel der Entdeckung neuer Welten anlangt, erfolglose Weltraumexpedition gerät immerhin zum nicht völlig verunglückten Betriebsausflug. Man kommt sich näher, auch wenn man nie wirklich beisammen ist. Wesentlich zur melancholisch-humorigen Grundstimmung tragen Christina Schmitts Bühnenbilder und Kostüme bei. Anfangs bewegt sich die in eine Mixtur aus Offiziersmontur und Domestikenlivree gehüllte Personnage durch die Lobby eines Mittelklassehotels offenbar aus den Wirtschaftswunderjahren, um später auf der Suche nach fernen Planeten und Paralleluniversen in Raumfahrtanzüge zu steigen. Immer wieder holt Religion die menschlichen Restlinge ein. Zwar ist Gott eine Leerstelle, doch sorgen Kirchlein und monumentaler Heiligenschein immerhin phasenweise für Behagen. Alles dies spielt das ohne sentimentale Anwandlung auf den elegischen Ton gestimmte Ensemble gleichermaßen mutig, dezent und mit einer diesem theatralischen Nachklang von Mensch und Erde ziemenden Diskretion aus. Irene Kugler, Birte Leest, Alban Mondschein, Sebastian Nakajew und Amelie Schwerk formieren sich zur Restmenschheit. Weder weint man ihr eine Träne nach, noch wünscht man sie zur Hölle. Nichts wird von ihr bleiben. Tröstlich auch das.