Übrigens …

Hinkemann im Berlin, Deutsches Theater

Dichte Zeichnung menschlicher Psyche

Männliche Identität, was ist das? Der Kerl muss in der Lage sein, einen Baum zu fällen, rational denken zu können, um im Beruf erfolgreich zu sein und dabei ordentlich Geld verdienen. Körperlich stark und allgemein potent pflanzt er sich fort und versorgt seine glückliche Familie. Soweit, so gut. Doch was ist, wenn ein Krieg ausbricht und Männer nicht als Helden, sondern als psychisch gebrochene Menschen zurückkehren? 

Wenig Mitleid hat die Gesellschaft dann für die gescheiterten Helden. Zu sehen aktuell am Deutschen Theater Berlin. Da spannt Regiesseurin Anne Lenk den Bogen zwischen individuellem Trauma und gesellschaftlichen Strukturen: Der Soldat Eugen Hinkemann kehrt versehrt aus dem Krieg zurück - eine Kriegsverletzung hat ihn sein Genital gekostet. Sein Selbstwertgefühl und seine Stellung in der Gesellschaft enden tragisch auf einem Jahrmarkt, wo er zur allgemeinen Belustigung Fleisch mit den Zähnen zerreißt. 

Das Ganze spielt im leicht obskuren Hallraum, die Bühne von Judith Oswald vermittelt eine wenig heimelige Atmosphäre. Lenk arbeitet den morbiden Ton, den Autor Ernst Toller seinem Text Hinkemann verliehen hat sensibel heraus. Hauptdarsteller Moritz Kienemann trumpft mit zwitterhaftem Ton auf. Die Charakterzeichnung bewegt sich irgendwo zwischen larmoyanter Endzeitstimmung und tiefer Verletzung.Eine sehenswerte Inszenierung am Deutschen Theater Berlin.