Übrigens …

Was ihr wollt im Berliner Ensemble

Aufgedreht und überdreht

Was ihr wollt ist Shakespeares bestes Stück, behauptet Regisseur Antú Romero Nunes in der Theaterbeilage des Berliner „Tagesspiegel“. Darüber ließe sich trefflich streiten. Auf alle Fälle kommt die facettenreiche und verwirrende Komödie um Identität, Liebesschmachten und Verkleidung seinem Inszenierungsstil entgegen. Er treibt die Schauspielerinnen und Schauspieler zu Scherz, Satire und Klamauk und das Berliner Ensemble bewältigt die verrückten Ideen mit Lust und Freude am Spiel hervorragend.

Die Geschichte um die Rätsel der Identität und die Wirrnisse des Schicksals beginnt mit der Rettung der jungen Viola (Amelie Willberg) aus den Sturmwellen an den Strand von Illyrien. Sie verkleidet sich als Mann und verdingt sich beim Herzog des Landes Orsino (Oliver Kraushaar), in den sie sich blitzschnell verliebt. Der wiederum schickt sie zum Liebeswerben um die schöne Gräfin Olivia (Sebastian Zimmler). Die verguckt sich prompt in den hübschen Boten. Die Situation wird noch komplizierter, als Violas geretteter Zwillingsbruder Sebastian (Max Gindorff) ebenfalls in Illyrien auftaucht. Im Hintergrund hofft noch der versoffene Junker Andrew Leichenwang (Maximilian Diehle), dass er bei Olivia landen könne, was aussichtslos ist. Dafür gelingt es ihm mit seinem Saufkumpanen Toby Rülps (Maeve Metelka) und dem kessen Kammermädchen Maria (Pauline Knof) dem arroganten Haushofmeister Malvolio (Bettina Hoppe) einen üblen Streich zu spielen. Nach einem gefälschten Liebesbrief, vermeintlich von Olivia geschrieben, tritt dieser in gelben Strümpfen und blöde grinsend vor seine Herrin. Dafür landet er im dunklen Keller. Als er wieder rauskommt, schwört er üble faschistisch klingende Rache, („Ich werde sie alle ausrotten“) während sich am Hofe die Liebespaare aneinander berauschen.

Der Schiffbruch von Viola und Sebastian bietet zu Anfang ein großes Spektakel mit einfachen Theatermitteln. Mit Nebel- und Windmaschinen, Donnerblech und einer riesigen aufgepusteten Plastikfolie wird ein gewaltiger Sturm und Wellengang simuliert. Die dann folgende Verkleidung von Viola vergrößert die Regie durch geschlechterverdrehte Besetzungen, nachempfunden dem Satz aus dem Text: „Ach, wir sind wir selber nicht“. So spielt ein Mann die viel begehrte Gräfin Olivia, Frauen mimen dann den Onkel, den trinkfesten Sir Toby und den überheblichen Haushofmeister Malvolio. Liebesleid und (Un)Glück von Männern und Frauen unterscheiden sich nicht.

In der Haupthandlung zeigen sich der schmachtende Herzog und die vom jungen Boten überwältigte Gräfin zunächst selbstverliebt. Dabei sind sie der Liebe als solcher verfallen, möchten nicht nur ihren Schwarm anhimmeln, sondern betatschen und küssen auch andere anwesende Personen, egal ob Mann oder Frau.

Grotesk und grob ist dagegen die Nebenhandlung, die zu Lasten des humorlosen Malvolio geht. Sir Toby Rülps hat im schmuddeligen Mantel über einer Art Nachthemd etwas von Falstaff. Feist und frech bringt er das Publikum zum Singen, etwa mit einem Tanzstück namens „Halt dein Maul“. Sir Andrew Leichenwang erinnert an Don Quichotte und seine vergeblichen Bemühungen an seine Geliebte heran zu kommen. Eine Partie der besonderen Art bietet Kammerzofe Maria, die die Gestik einer Influencerin auf TikTok imitiert. Im sexy Auftritt serviert sie anzügliche Sprüche, zupft ständig an den dünnen Zöpfchen, präsentiert ihre lackierten Fingernägel und garniert jeden zweiten Satz mit Oh-mein-Gohhht. Der Narr (Veit Schubert) dagegen präsentiert sich wie ein klassisch-komischer Clown, nur etwas angeranzt.

Regisseur Antú Romero Nunes dreht die Story, im Zusammenspiel mit dem Ensemble, hoch und höher. Im zweiten Teil überdreht er die Gag-Maschinerie. Das zeigt sich etwa an der eigentlich lustigsten Szene des Stückes, wenn Malvolio mit gelben Strümpfen und kreuzförmigen Bändern die vermeintliche Liebe seiner Herrin einlösen will. Er erscheint als eine Art Dominus mit der Peitsche zum Weibe gehend, wie einst Nietzsche es forderte. Da ist die brillante Komik des ersten Teiles ausgesetzt, soll wohl Männlichkeit lächerlich machen, aber das zielt daneben. Nicht jeder Gag sitzt, doch man geht auf jeden Fall amüsiert aus dieser Vorstellung über Irrungen und Wirrungen der menschlichen Identität.