Schräg, bunt, wirr – das Krippenspiel der Volksbühne
Im Anfang stellt das Ensemble eine ironische Frage ans Publikum. „Wem gehört dieser Laden?“ Gemeint ist die Berliner Volksbühne selbst, die verkauft werden könnte, ins Privateigentum überführt zur titelgebenden PROPRIETÀ PRIVATA. Die Spardebatten des Berliner Senats lassen grüßen. Kapitalismus ist einer der wiederkehrenden Ankerpunkte des Abends. Dazu kommt ein Gemischtwarenladen aus Scherz, Satire, Päpsten, Krippenspiel, Tech-Feudalismus, Autobahnen, Klarissen, Mittelalter, sprechenden Tiere, Vogelgrippe, christliche Werten, das Theaterleben und, und, und. Es musiziert ein gut aufgelegtes Kammerorchester mit Cello, Oud und Harfe. Zwei wunderbare Chöre singen (Männer des Staats- und Domchores Berlin, Frauen vom Fanny-Hensel-Chor der Sing-Akademie zu Berlin). Die Musik rettet den als Krippenspiel angekündigten Abend, der ein großes Durcheinander bietet, mal witzig, oft aber redundant und langgezogen. Der rote Faden ist Franz von Assisi, gespielt von der augenzwinkernden Sophie Rois, die, das verkündet sie entschlossen, ohne Tonsur auftritt.
Die Szenerie ist betont bunt und erinnert an traditionelle Weihnachtsmärchen mit Bergen aus Pappmaschee, farbig gemalten Kapellen und echtem Regen. In einem mächtigen Raben mit funkelnden Augen und beweglichem Schnabel sitzt Kerstin Graßmann, verkündet antikapitalistische Parolen und beschwört den Gemeinschaftsgeist des Theaters. An Kostümen wird nicht gespart. Die Chöre tragen Mönchskutten und Nonnentracht, später auch glänzende Klamotten mit Sonnen und Sternen im Haar. Maria (Aminata Toscano) trägt ein blaues Kostüm wie gemalt, ähnlich bilderbuchmäßig die drei heiligen Königinnen (Margarita Breitkreiz, Inga Busch, Christine Groß).
Der echte Franz von Assisi (1181-1226) lebte arm, bescheiden und im Einklang mit der Natur. Im Stück wird er deswegen von einem Papst (Kerstin Grassmann) als Kommunist beschimpft, der das Privateigentum der Kirche madig macht. Der Chor antwortet mit alten Kampfliedern der Arbeiterklasse wie „Roter Wedding“ oder „Vorwärts und nicht vergessen“. Sophie Rois als Franz ist eine eher fröhliche Person, die von Blättern befallen im vermeintlichen Wald sitzt oder vor einem Schild „Autobahn der Freiheit“ über Daten philosophiert und diverse Baustellen auf deutschen Fernstraßen aufzählt.
Das Krippenspiel des Franz von Assisi, so die These des Regie-führenden Autors Christian Filips, begründet im Jahr 1223 das moderne Theater. Die Rollen zu dieser traditionsreichen Stücksorte werden während des gesamten Abend gesucht. Mal vermisst man eine Krippe, dann präsentiert man Schaf und Kuh als große Plüschtiere. „Wo ist der Esel?“ wird gefragt. Ein paar Szenen weiter taucht tatsächlich ein lebendiger Esel auf und schnuppert gemeinsam mit Franz von Assisi am Heu. Es folgt eine wirklich gelungene komödiantische Szene, ein Kurz-Krippenspiel ohne Worte nur mit Tönen wie Wind und Sturm und I-ah und Mäh-mäh.
Video fehlt auch nicht. Der neue Papst spricht einen Jugendlichen selig, wir sehen Tippi Hedren als Retterin von Kindern aus dem Hitchcock-Film „Die Vögel“ oder Polizisten, die im Schlamm stecken oder in denselben hineinfallen. Eingebunden in den Wirrwarr ist dankenswerterweise ein bunter Musik-Mix: Kirchenlieder, Adventsgesang, Blues, Volksmusik und Volkstänze. Das bringt Entspannung in den sonst eher angestrengten Abend, der immer komisch sein will, aber diesen Wunsch nur selten erreicht.
Die Aufführung pendelt hin und her zwischen Krippenspiel und Autobahn, zwischen Theater-Königinnen und armen Mönchen, zwischen Tieren und Theatermenschen. Ein Programmzettel (Götz von Berlichingen) aus dem Jahr 1914 erinnert an die allererste Vorstellung in der Volksbühne und da ist es nicht weit zur Frage: Wem gehört der Laden? Den Schauspielerinnen und Schauspielern macht diese Insider-Frage offenbar Spaß, dabei vergessen sie, dass man sie auch verstehen sollte. Zum Glück gibt es englische Übertitel mit denen man dem Text folgen kann. Die Probenzeit hat wohl nicht gereicht um die Aufführung rund zu bekommen. Eine gute Absicht kann man aber erkennen.