Übrigens …

„africologne“ sorgt mit Tanz und Schauspiel aus Afrika für Furore

Was liegt näher, als ein Festival, das sich dem (west-)afrikanischen Theater verschrieben hat, mit einem Tanz-Abend zu starten. Keine Folklore, sondern moderner, ein von Rap und Pop durchwirkter Triumph körperlicher Ausdruckskraft verlieh dem 3. „africologne“-Festival in Köln (noch bis 27. Juni) einen grandiosen Start. Einer der renommiertesten Choreographen Afrikas, Serge Aimé Coulibaly, einst Tänzer bei Alain Platel und Sidi Labi Cherkaoui, schuf mit Nuit Blanche á Ouagadougou ein kleines Wunder an tänzerischer Kraft, hoch gehenden Emotionen und Unmittelbarkeit. Ein ganz anderes „Wunder“: Die Weiße Nacht erlebte an den Tagen im Oktober 2014 in Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso, ihre Uraufführung, an denen eine friedliche Revolution den zum Autokraten pervertierten Präsidenten des Landes, Blaise Campaoré, zum Rücktritt zwang. Realität hatte die Fiktion eingeholt. Ein hoffnungsvolles Symbol.

Wenig Hoffnung, dafür einen mitreißend theatralischen Einstieg in die Perversionen, die der Kampf um Coltan, wichtigstes Materialien für Handys und hochtechnische Geräte in den Menschen auslöst, steht im Zentrum der Kölner „africologne“-Tage, an denen Künstler von der Elfenbeinküste und dem Senegal, aus Burkina Faso, Uganda und den beiden Kongos zu Wort und Bild kommen.

Das zweiteilige Coltan-Projekt, eine deutsch-afrikanische Koproduktion des Kölner „Bauturm-Theaters“ mit dem für ganz Afrika bedeutsamen „Récréatrales“-Theaterfestival, nimmt sich des schmutzigen Kampfes um einen Rohstoff an, der zu 80 Prozent im Kongo gewonnen wird.

Kinderarbeit und Bürgerkriege sind die verheerenden Folgen, denen sich das „Coltan-Fieber“, eine „kollektive Performance“ von Jan-Christoph Gockel und einem afrikanisch-haitianisch-belgisch-deutschen Darsteller-Quartett auf ebenso eindringliche wie spielerische Weise nähert. Sie schlägt einen weiten Bogen von der Kolonialzeit bis zu heutigen Bürgerkriegen. Eine Puppe namens Leopold, mal Kind, mal melancholischer Greis, genannt nach dem belgischen König Leopold II. (1839 – 1909), der im Kongo ein Terrorregime zur Ausbeutung von Elfenbein und Kautschuk errichtet hatte, ist der mitreißend geführte Symbolträger einer Reise durch Gier und Macht der Jahrzehnte.

Musika heißt der aus afrikanischer Sicht neben dem Coltan-Fieber inszenierte zweite Teil des „Projekts“. Autor und Regisseur Aristide Tarnagda, designierter Chef des Récréatrales, erzählt die Geschichte zweier Männer (Simba und John) und einer Frau (Musika), deren Schicksale durch Zwangsarbeit in einer Coltan-Mine, durch Brutalitäten und Vergewaltigung geprägt und miteinander verbunden sind. Tarnagdas Inszenierung scheut weder Härte noch Brutalität, stellt ihnen aber auch Szenen äußerster Zartheit und Poesie zur Seite. Hoffnung schimmert auf – wenn auch nur in weiter Ferne. Auch die „Musika“-Uraufführung fand während der aufrührerischen Tage in Burkina statt.

Eine eindringliche Filmdokumentation von Christian Hennecke, die alle Aspekte dieser Inszenierungen kenntlich macht, begleitet die ungewöhnliche Doppel-Produktion. Von ersten Proben in Köln über die Uraufführungs-Tage in Burkina Faso bis zur Präsentation der Inszenierungen in Brazzaville und Kinshasa hat er die Geschichte einer wohl einmaligen Arbeit begleitet. - Günther Hennecke