Ruhrtriennale 2016 versteht sich stark politisch
Das international renommierte Kulturfestival Ruhrtriennale versteht sich in diesem Jahr stark politisch. Bei der Programmvorstellung des vom 12. August bis zum 24. September im Ruhrgebiet stattfindenden Festivals sagte Intendant Johan Simons am Mittwoch in Duisburg, das Leitmotiv der Ruhrtriennale Seid umschlungen habe zusätzliche Bedeutungen erhalten. Als Beispiele nannte Simons die euphorischen Szenen des Willkommens für Flüchtlinge im vergangenen Jahr und die Bilder der kriminellen Übergriffe auf Frauen in der Kölner Silvesternacht.
„Seid umschlungen, Millionen" und „Alle Menschen werden Brüder" heißt es nach den Worten des Ruhrtriennale-Intendanten ursprünglich im Gedicht von Friedrich Schiller. „Welche Utopie! Wie es in Europa tatsächlich darum steht, erfahren wir jeden Tag aufs Neue", so Simons. In Sachen Brüderlichkeit ende unsere Solidarität mit Anderen „oft dort, wo es für uns selbst unbequem wird." Und der Begriff Gleichheit sei für „viele an der Spitze ein vergifteter Begriff." Ungleichheit bedeute oft nach wie vor „die natürlich Ordnung der Welt", so Simons weiter. Und die Freiheit ende nicht selten „dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt, sei es am Garten- oder am Grenzzaun. Aber manchmal braucht es auch die Freiheit, Grenzen zu überschreiten", so der Ruhrtriennale-Intendant.
Im 15. Jahr des Festivals stehen rund 120 Veranstaltungen bei 32 Produktionen auf dem Programm. 23 dieser Produktionen sind laut Simons Eigen- und Koproduktionen. 20 Uraufführungen, Neuinszenierungen, Deutschlandpremieren und Installationen gibt es für Kulturhungrige im Verlauf des Festivals zu entdecken und zu erleben. Bühnen gibt es diesmal in 24 verschiedenen Spielstätten in Bochum, Bottrop, Duisburg, Dinslaken, Dortmund, Gladbeck, Essen, Hamm, Marl und Mülheim/Ruhr. Mehr als 900 Künstlerinnen und Künstler aus mehr als 25 Ländern wirken mit.
NRW-Kulturministerin Christina Kampmann (SPD) lobte das Festival am Dienstag für sein Programm. Simons spüre den gesellschaftlichen Veränderungen nach und gehe dabei bis in die Zeiten des Kolonialismus zurück, so Kampmann. „Die Ungerechtigkeiten dieser Zeit haben auch mit der Situation der Flüchtlinge heute zu tun", betonte die Ministerin. Mit dem Programm der diesjährigen Ruhrtriennale begeben sich nach ihren Worten die Festivalmacher auch auf die Suche nach den Fluchtursachen und den Chancen für Integration. Zudem würden etliche der Produktionen auch hinterfragen, inwieweit die Werte unserer Gesellschaft heute „tatsächlich gelebte Realität sind."
Das Festival bringt in diesem Jahr Musiktheater, Musik, Schauspiel, Tanz und Installationen ins Ruhrgebiet. Zum Auftakt am 12. August gibt es in der Bochumer Jahrhunderthalle die Musiktheaterproduktion Alceste, einen europäischen Urmythos aus der Zeit der Aufklärung als die europäischen Grundwerte formuliert wurden. Willibald Glucks Barock-Oper wird dabei von Intendant Simons neu inszeniert und stellt Fragen nach Opferbereitschaft, Mut und Demut. Gespielt wird in der 15. Ruhrtriennale-Ausgabe auch in der Synagoge in Bochum, der Lutherkirche in Dinslaken, der DITIB-Merkez-Moschee in Duisburg und dem Hindu Shankarar Sri Kamadchi Ampal-Tempel in Hamm. – Andreas Rehnolt