Großartige Bildergeschichte zum Leben der Tänzerin Isadora Duncan
Im Berliner Reprodukt-Verlag ist eine 136seitige Graphic Novell über das Leben der berühmten Tänzerin Isadora Duncan (1877-1927) erschienen. Die großartige Bildergeschichte mit dem schlichten Titel „Isadora“ stammt von Julie Birmant und Clément Oubrerie. Aus dem Französischen übersetzt hat sie Silv Bannenberg. Die 1877 in San Francisco geborene Duncan war eine US-amerikanische Tänzerin und Choreographin. Sie gilt als die Wegbereiterin des modernen sinfonischen Ausdruckstanzes und entwickelte ein völlig neues Körper- und Bewegungsempfinden. Mit 22 Jahren kommt sie nach Europa und tanzt sich innerhalb von nur wenigen Jahren zum Gipfel ihres Ruhmes.
Schon das Titelbild des fest gebundenen Buches zeigt, dass Duncan aber auch nichts mit dem klassischen Ballett gemein hatte, sondern sich von der griechischen Antike, den Wellen des Meeres und Künstlern wie Auguste Rodin inspirieren ließ. Sie trägt unter einem blauen, knöchellangen Tuch nur ein dünnes Nachthemd. Auf Schuhe verzichtet die hübsche junge Frau, tanzt barfuß und mit meist geschlossenen Augen. Die Graphic Novell beginnt mit der Landung eines kleinen Flugzeugs, das die junge Tänzerin mit ihrem Gatten Sergej Jessenin aus Moskau nach Berlin bringt, wo beide 1922 erst einmal in die russische Auswanderer-Szene eintauchen. Dann plötzlich ein Zeitsprung zurück und man erfährt, dass zehn Jahre zuvor zwei Kinder von Duncan in Paris bei einem Unfall ums Leben kommen und in der Seine ertrinken.
Ein weiterer Zeitsprung zurück führt nach London, wo die junge Tänzerin nach sechswöchiger Schiffsreise von Amerika mit Bruder, Schwester und Mutter ankommt. Hier besucht und bewundert sie die griechischen Skulpturen des British Museum, denen sie im Beisein eines Museums-Wärters - der sie für verrückt hält - mit ihrem Ausdruckstanz Leben einhaucht. Athene selbst erscheint ihr im Traum und fordert sie auf, die Menschen daran zu erinnern, dass sie als Göttin für Vernunft und Stärke steht, für Maß und Maßlosigkeit ebenso wie für eine grandiose Schlichtheit. Im Jahr 1900 reist sie weiter nach Paris, wo sie auf die faszinierenden Skulpturen von Rodin und schließlich auf den Bildhauer selber trifft.
Faszinierend die stimmungsvoll gezeichneten Theater, die Ateliers, die Kunstwerke und die Straßenszenen der unterschiedlichen europäischen Metropolen, in denen Duncan ihre ganz eigene Art von Tanz perfektioniert und vorführt. Kein Wunder, dass man sie überredet, 1902 nach Berlin weiter zu reisen. Dort steht sie dann auf der Bühne. Nicht als Teil einer Tänzerinnen-Truppe, sondern ganz allein. Bekleidet nur mit einem hoch geschlitzten, dünnen, weißen Nachthemd. Die langen Haare hochgesteckt, barfuß. Die großen, runden Augen geschlossen. Den Blauen Bühnenvorhang reißt sie entzwei und macht sich daraus mit strahlendem Lächeln eine Tunika.
Dann spielt der Mann am Flügel auf ihr Geheiß den „Donauwalzer“ sowie Walzer von Chopin und sie gibt sich ganz der Musik hin. Tanzt, wirbelt und scheint über die Bühne zu fließen. Nach zahlreichen Zugaben vor einem begeisterten und hingerissenen Publikum hat sie ihr Engagement beim angesehenen Berliner Theater, der Urania. 1903 folgt eine Griechenland-Reise, die jedoch nur drei Monate dauert. Es lockt Bayreuth mit einer Choreographie, die sie jedoch abbricht. Ein weiterer Zeitsprung führt die Leserinnen und Leser der Graphic Novel nach Venedig ins Jahr 1922, dann nach Amerika.
Eine Tournee gerät zum Desaster. Duncan wird ausgebuht. Ihr Tanzen wird in den Theatern gar nicht beachtet. Umso mehr dafür im Land der Prüderie eine kurz sichtbare Brust. Es folgen abgesagte Auftritte, dünn besetzte Zuschauerreihen, schließlich eine überstürzte Rückreise. Der Epilog in der Bildergeschichte spielt in Cap d'Antibes. Es ist das Jahr 2025. Isadora erfährt vom Selbstmord ihres alkoholkranken Mannes Jessenin in Moskau. Die einst so schlanke Frau hat reichlich an Gewicht zugelegt, zudem verfügt sie über kein Geld mehr. „Das Leben Isadora Duncans endete abrupt am 14. September 1927. Als Erinnerung bleibt ihr Schal.. Sie ähnelt ihm, frei und fliegend, die Straßen entlangrennend, ruhelos und tanzend,“ heißt es am Ende der Graphic Novel. - Andreas Rehnolt
Julie Birmant/Clément Uubrerie - „Isadora“ - 2020 Verlag Reprodukt - Berlin
136 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-95640 - 232-6 - 24,00 Euro