Übrigens …

Sir William vor dem verschlossenen "Globe"

An die „frische Luft“ befördert hat Corona das diesjährige Shakespeare-Festival auf der Galopprennbahn im rheinisch-römischen Neuss. Denn statt im „Globe“-Nachbau, der das Gelände ziert und ein zweites Mal nach 2020 in einen Dornröschen-Schlaf versunken ist, präsentieren neun Ensembles aus Österreich und Belgien, England, der Türkei und Deutschland ihren Blick auf Shakespeare und seine Stücke unter freiem Himmel. Gerne Hermiones Einladung aus dem Wintermärchen folgend: „Sucht ihr uns, so trefft ihr uns im Garten“. Als „Shakespeare-Garden“ firmiert denn auch das vom 16. Juni bis 2. Juli stattfindende Festival.

Coronabedingt ist das diesjährige Programm weniger international als in den Vorjahren. Gleichwohl sorgen die „Salzburger Theaterachse“ mit Viel Lärm um nichts und eine zweisprachige Inszenierung des Coriolanus der bremer shakespeare company in Koproduktion mit dem Tiyatro BeReZe aus Istanbul für internationales Flair. Die vierköpfige Truppe „TheHandleBards aus England ergänzt den Blick über die Grenzen.

Mit der Inszenierung Shakespeare’s love but Marriage nach Motiven aus dem Sommernachtstraum und Zähmung der Widerspenstigen startet das Garden Festival.

Einen kleinen, aber gut nachvollziehbaren Ausreißer aus Shakespeares Originalstücken bietet das Potsdamer Neue Globe mit Leben Eduards II. von England, Bertolt Brechts früher Fassung eines Stücks des Shakespeare-Zeitgenossen Christopher Marlowe (1564-1593).

Mit Shakespeares wohl letztem und reifsten Drama, dem Sturm, kommt das Globe-Theater Berlin an den Rhein. Ein Stück von einiger Aktualität, verweist es doch auf den Widerstreit von Zivilisation und Natur.

Ein Highlight der Tage in Neuss bietet die im belgischen Gent geborene und seit 2011 in Heidelberg lebende Jazz-Sängerin Caroll Vanwelden, die seit Jahren bereits mit ihrer Combo Shakespeares Sonette ebenso sensibel wie eindringlich auf die Bühne bringt. „Best of“ heißt ihr speziell für den Neusser Abend zusammengestelltes Programm.

Mit dem Wintermärchen ist die bremer shakespeare company zu Gast. Und das verrückte Damen-Quartett namens HandleBards aus London geht mit dem mörderischen Macbeth ausgesprochen leicht und spielerisch um.

Übertroffen werden die vier Damen freilich locker vom Theater Poetenpack aus Potsdam, das den Ritter von der flammenden Mörserkeule als völlig verdrehte und aberwitzige Komödie auf die Jux-Bretter bringt. Die Vorlage für die Fassung von Stephanie Ebeling lieferten Shakespeares Zeitgenossen Francis Beaumont und John Fletscher.

Übrigens ist auch was für die Kleinen dabei: Viel Lärm um nichts ist für sie kindgerecht bearbeitet und mit dem Titel versehen: Nur viel Tamtam. Und wie (fast) jedes Jahr begeistert der Brite und Shakespeare-Spezialist Patrick Spottiswoode mit einem ganz und gar nicht trockenen Umgang beim Thema „Shakespeare and the Globe“. Eine Meister-„Lecture“ voll britischen Humors.

Corona-Tests sind direkt vor Ort möglich.

Günther Hennecke

Foto: "Wintermärchen" der bremer shakespeare company (Foto: Marianne Menke)