Ardennerwald auf dem Golzheimer Friedhof
Es muss nicht immer die bombastische, FAUST-prämierte oder zum Theatertreffen eingeladene Inszenierung sein. Freude bereitet dem Kritikaster auch die Sichtung des noch ganz in den Anfängen stehenden Nachwuchses: Immer wieder schön ist es, kleine Aufführungen, manchmal auch nur Fingerübungen der Studierenden an Schauspielschulen zu beobachten. Diesmal besuchte der Rezensent eine Opernklasse: Auch zu deren Ausbildung gehört das Fach Schauspiel. Eingeladen hatte die Klasse Bewegung / Schauspiel von Hanna Werth und Britta Gemmer an der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf.
Shakespeare soll es sein an diesem Abend. Sonette finden die Studierenden doof, und als der Chef Romeo und Julia vorschlägt, meldet sich gleich einer und will den Löwen spielen. Ähem – war es nicht die Nachtigall…? Man einigt sich also auf den Sommernachtstraum und zitiert aus Julius Caesar: Es geht so einiges durcheinander bei den Schauspielschülern, aber die lernen ja auch noch. Und ziehen erstmal auf den aufgelassenen Golzheimer Friedhof sprich: in den Ardennerwald, wo hübsche Bild-Miniaturen entstehen, eine Düsseldorfer Radschläger-Performance inklusive. Meister Schüttelspeer ist schließlich überall. Im Partikasaal der Hochschule bewundern wir anschließend zunächst die Ergebnisse des Bewegungstrainings bis hin zur Erforschung der Körperlichkeit bei Tanz und Schauspiel; später treten Schauspiel-Szenen in den Vordergrund. Unter der Überschrift „Portrait of a Betrayal“ bedrängen die Jungs die schmale, dunkelhaarige Helena so massiv, dass man unwillkürlich an moderne Aufführungen von Strawinskys Le Sacre du Printemps denken muss. Großartig gelingt das „Requiem to a Dream“: Vorn sitzt, weit voneinander entfernt, ein sehnsuchtsvolles Paar, hinter ihm zeigt ein anderes Paar dessen Traum von zärtlicher Annäherung bis hin zum Kuss. „Verliebten und Verrückten kocht das Hirn“, wusste schon Shakespeare.
Zumindest für Könner und Talente ist es mutmaßlich schwieriger, Unbeholfenheit darzustellen als Virtuosität. Die fraglos talentierten Tänzerinnen und Tänzer der Schumann Hochschule üben sich in scheuem, unrundem Tanz oder schüchternem Draufgängertum – Widersprüche, die darzustellen dem Team gut gelingt. Natürlich kann man trefflich darüber spekulieren, wer von diesen jungen Performerinnen und Performern es einmal ganz nach oben schaffen und wer in den Niederungen der Ebene stecken bleiben wird. Aber das bedürfte einer exakten individuellen Betrachtung. Hanna Werth und Britta Gemmer haben bei ihrer Arbeit spürbar den Ensemble-Gedanken in den Vordergrund gestellt. Entscheidend wird bei den Mitgliedern einer Opernklasse später ohnehin die sängerische Qualität sein. Und wenn in diesem zur lauen Nacht perfekt passenden Sommernachtstraum eine Solistin eine Arie singt, wenn das Ensemble zum großen Finale eine wunderschöne Purcell-Komposition zu Gehör bringt, dann weiß man, welches Potential in diesen jungen Menschen steckt: „Jubel, Triumph, Gelage!“, rufen sie selbstironisch.Und wissen doch: „Das Glück küsst manche oft und andere nie.“- Dietmar Zimmermann
Foto: theatermail nrw