Zum Tod von Jörg Loskill
Mit zwölf, dreizehn Jahren habe ich regelmäßig Klassik-Konzerte in meiner Heimatstadt Bottrop besucht – und dann stets zwei Tage nach jedem Konzert mit großer Neugier die beiden lokalen Tageszeitungen aufgeschlagen, um die Rezensionen darüber zu lesen, was ich zuvor gehört und erlebt hatte. Jörg Loskill war schon damals, Mitte der 1970er Jahre, der Rezensent der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung, der unter anderem für die Lokalredaktion Bottrop (seinem Wohnort) schrieb. Seine Zeilen las ich besonders gern. Weil mir seine Sprache gefiel. Weil er es verstand, einen Gesamteindruck von einem Konzert zu schildern und diesen zu bewerten. Oft fand ich mich in seinen Texten wieder, mitunter habe ich mich auch an ihnen gerieben.
Als ich 1983 meine eigene Konzertreihe in der Bottroper Liebfrauenkirche startete, war Jörg Loskill vom ersten Konzert an der journalistische Begleiter dieser Initiative und wirkte als das, was er eigentlich immer war: als Unterstützer, als jemand, der unerfahrenen Organisatoren wie mir Mut machte – und der den ausübenden KünstlerInnen (in diesem Fall OrganistInnen) erst einmal mit Wohlwollen begegnete. Nicht, dass Jörg Loskill die Spreu vom Weizen nicht zu trennen wusste: Lob und Tadel gab es von ihm gleichermaßen. Aber immer mit Augenmaß! Nie hämisch, nie überheblich, nie besserwisserisch, dagegen immer aufbauend und konstruktiv. Seine Rezensionen wurden in der Öffentlichkeit ernst genommen, seine Stimme hatte echtes Gewicht. Und diese erhob er, wenn er es für nötig und sinnvoll hielt, gern auch abseits der Öffentlichkeit etwa im Kreis kulturpolitisch Verantwortlicher (in meinem Fall: in Bottrop). Dies führte dazu, dass den Liebfrauen-Konzerten eine wenn auch bescheidene Förderung aus dem Kulturetat der Kommune zuteil wurde. Ohne Jörg Loskill hätte diese meine Initiative ganz sicher nicht 22 Jahre lang (bis 2005) „überlebt“.
Ende der 1980er Jahre habe ich dann selbst angefangen, für Tageszeitungen Konzertrezensionen zu schreiben. Loskill war anfangs immer mein (unerreichtes) Vorbild. Ich habe mich immer gefragt: wie schafft er es, diesen oder jenen Eindruck „auf den Punkt“ zu bringen, ihn so zu beschreiben, dass er für LeserInnen transparent wird, die womöglich dem kulturellen Ereignis, um das es gerade geht, gar nicht selbst beigewohnt haben. Loskill konnte das.
Ganz dankbar waren mein Partner Thomas Hilgemeier und ich, als Jörg Loskill uns anbot, für unser 2012 gegründetes Magazin theater:pur als Autor tätig werden zu wollen – ein Glücksfall für uns! Denn im Bereich Musiktheater/Schauspiel/Tanz war Loskill ein absoluter Profi mit einer unglaublich reichhaltigen Erfahrung. Von ihr haben wir sehr gern und sehr viel profitiert! Auch davon, dass er etliche Häuser wie beispielsweise das Musiktheater im Revier Gelsenkirchen oder das Essener Aalto-Theater über Jahrzehnte hinweg kontinuierlich begleitet hat und deren Entwicklungen mit sicherem Gespür zu beurteilen in der Lage war.
Am Herzen lag ihm nicht zuletzt – und vielleicht ganz besonders - alles, was abseits der „etablierten“ Kunst und Kultur passierte. Da war er so etwas wie ein Seismograph, der junge KünstlerInnen ebenso wie ungewöhnliche neue „Formate“ beobachtete und ihnen Mut machte – wie damals im Fall meiner Konzerte in Bottrop.
Jörg Loskill starb am 17.Juni – im Juli wäre er 73 Jahre alt geworden. Ich werde ihn vermissen.
Christoph Schulte im Walde
(Foto: Birgit Schweizer)