Drei Fragen an... Milan Sladek
Biografisches über Milan Sladek (1938 in Strezenice/Slowakei geboren) mitzuteilen, hieße Eulen nach Athen zu tragen. Sladek gehört seit Jahrzehnten zu den berühmtesten Pantomimen dieser Welt!
Was bedeutet für Sie persönlich Theater?
Es gehört nicht zu meinem Charakter, mich pathetisch verbal zu äußern… mir reicht es, auf der Bühne zu stehen. Aber meine Begeisterung für das Theater - speziell für die Pantomime - ist seit Jahrzehnten untrennbar mit meinem privaten Leben verbunden.
Gleich zu Beginn, als ich diese Kunst für mich durch den Roman von Frantisek Kozík „Der größte der Pierrots“ entdeckt habe, gab die Pantomime meinem Leben einen Sinn.
Intuitiv habe ich die Vielfältigkeit dieser Kunst erfasst. Später habe ich begriffen, dass sie mein Leben gestaltet - die Beobachtung meiner Umgebung, der Situationen, die ich in meinem Leben erleben durfte oder musste und der Menschen, denen ich begegnet bin. Alles habe ich durch meine Kunst erlebt.
Die Pantomime ist für mich DIE Lebensphilosophie geworden. Sogar noch mehr… in der Emigration war sie sogar mein Lebensretter... dank ihr konnte ich mich ziemlich bald in Deutschland integrieren.
Ich habe mich gefragt, ob mein Leben sich so entwickelt hätte, wenn ich ein Schauspieler des Sprechtheaters geworden wäre?
Von der Überlebensfähigkeit des Theaters und der Pantomime bin ich absolut überzeugt. Trotz der Übermacht der Massenmedien - des Computers, des Handys, der virtuellen Kommunikation - spielt das lebendige Theater auch heute noch eine sehr große Rolle. Ich bin überzeugt, dass dies auch in Zukunft so bleiben wird. Kein Medium kann den direkten Kontakt mit dem Zuschauer ersetzen.
Ich freue mich auf die Zeit nach der Pandemie. Ich bin sicher, nach der wochenlangen Isolierung der Menschen werden die Theater eine umso größere Rolle spielen, um uns die unmenschliche aber notwendige Isolierung in dieser Zeit vergessen zu lassen.
Theater ist eine sehr humane Kunst - ich glaube, sie wird noch lange zur Menschheit gehören.
Was war für Sie der bisherige Höhepunkt Ihrer Theaterarbeit?
Es gab verschiedene Höhepunkte, die ich erleben konnte.
Nach der Eröffnung meines kleinen Theaters KEFKA in Köln, rief ich das internationale Pantomimenfestival GAUKLER ins Leben und leitete es über viele Jahre. Dass dieses Festival, wie Journalisten damals schrieben, zum Mekka der Weltpantomime wurde, ist sicher einer der ganz besonderen Höhepunkte meiner Karriere. Dieses Festival hat mich weltweit bekannt gemacht.
Dass mein Theater KEFKA jahrelang das einzige feste Pantomimentheater in Westeuropa war, ist auch ein sehr erfreuliches Erlebnis für mich gewesen.
Es folgten die mehrjährige Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut, die mir Gastspiele auf allen Kontinenten ermöglichte. Im Jahre 2016 trat ich mit meinem Ensemble vor der UNESCO in Paris auf mit der Inszenierung ANTIGONE - mit großem Erfolg. Wir gastierten dort als erstes Pantomimentheater überhaupt… gehört dies nicht auch zu einem der Höhepunkte meines Schaffens?
Welchen Ort in NRW - abgesehen von Ihrem (Lieblings-)Theater - würden Sie Besucherinnen und Besuchern gerne zeigen?
Köln hat viele wunderbare Museen! Schwer zu sagen, welches ich bevorzuge. Aber zu einem Museum habe ich tatsächlich eine sehr persönliche Beziehung - es ist das Römisch-Germanische Museum.
Im Dialog „Über den mimischen Tanz“ hat Lukian von Samosata nicht nur die Großartigkeit der altrömischen Pantomime beschrieben, die sich über 300 Jahre enormer Popularität erfreute. Die Fertigkeit der Mimen, alles mimisch und gestisch umzusetzen, war so enorm, dass die Legionäre, die in fremde Gebiete mit nicht lateinisch sprechender Bevölkerung einmarschierten, sie als Begleitung mitnahmen. Nicht nur zur Unterhaltung dienten die Mimen, sondern auch als „Dolmetscher“, als Kontaktmacher zwischen den Römern, so auch hier in diesem Gebiet der Germanen.
Unweit des Kölner Doms hat man bei Ausgrabungen ein Mosaik gefunden. Um dieses entschloss sich die Stadt Köln, ein Museum zu bauen - das Römisch-Germanische Museum. Dieses Mosaik war der Boden des Speisesaals einer römischen Stadtvilla - „triclinium“. In meiner Phantasie, als ich erstmalig das Museum besuchte, entstand die Idee, auf diesem wunderbaren Dionysosmosaik, die römischen Mimen zu spielen... wahrscheinlich wird es in der Antike an diesem Ort auch so gewesen sein.
Ich begann den Wunsch zu hegen, hier wirklich eine Vorstellung zu geben... Dieser Traum hat sich im Jahre 2007 erfüllt. Ich habe drei mythologische Geschichten inszeniert, die ich unter dem Titel „Jupiter und die Anderen“ an drei Abenden aufführen konnte.
Welch ein erhabenes Gefühl für mich!!! Ich bin überzeugt, dass „meine Kollegen“, die vor Jahrhunderten an dieser Stelle gewirkt haben, mich in meinem Spiel unterstützten. Es gab große Begeisterung in der Presse und bei den Zuschauern, aber auch einige Proteste mit der Frage, warum man mir erlaubt hatte, dieses „Heiligtum“ zu betreten - …denn der Versicherungswert des Mosaiks beträgt 15 Millionen Euro.
Für mich persönlich war es eine Verbeugung vor der großen Geschichte Kölns. Es lohnt sich, diesen Schatz - das Dionysosmosaik - zu besuchen und anzuschauen.
(Den Kontakt stellte theater:pur-Autor Günther Hennecke her.)
29. April 2020