Übrigens …

Drei Fragen an... Günther Beelitz

Günther Beelitz,

1938 in Berlin geboren

Abitur in Stuttgart

Ausbildung zum Buchhändler und Verlagskaufmann

Studium der Theaterwissenschaft, Germanistik und Kunst in Marburg und Wien

Leiter der Schauspielabteilung der Universal-Edition Wien

1969/70 Persönlicher Referent und Künstlerischer Direktor von Prof. Karlheinz Stroux,

Düsseldorfer Schauspielhaus

1970 - 1976 Intendant des Staatstheaters Darmstadt

1976 - 1986 Generalintendant des Düsseldorfer Schauspielhauses

1986 - 1993 Staatsintendant Bayerisches Staatsschauspiel

1993 - 2000 Generalintendant des Deutschen Nationaltheaters Weimar

2000 - 2005 Intendant Theater Heidelberg

2006 Gründung der Agentur: Theatre-Communication, International Theatre-Relations

2010 - heute Intendant der Kulturgastspiele „Das Ronacher“ Bad Kleinkirchheim/Kärnten 2014 - 2016 Generalintendant Düsseldorfer Schauspielhaus

 

 

Was bedeutet für Sie persönlich Theater?

Für das Düsseldorfer Schauspielhaus habe ich mich mal als „Theater-Ermöglicher“ definiert.

Der Erfolg des Düsseldorfer Schauspielhauses weist auf eine Programmatik, die den Konflikt und den Widerspruch nicht scheut, weil sie zur Wahrheit gehören, die ohne politischen oder pädagogischen Druck auch dem Andersdenkenden durchschaubar machen will, was war in der Geschichte, was in der Gegenwart. Dies ist die Grundvoraussetzung für den Blick in die Zukunft.“ - Diese visionäre Kraft und Phantasie mit den Mitteln ästhetischer und inhaltlicher Schauspielkunst immer wieder neu zu entdecken ist meine Theaterlust.

 

Was war für Sie persönlich der bisherige Höhepunkt auf der Bühne/im Theaterleben?

Während unserer Zeit in Düsseldorf ist Theater von uns immer zuerst für Düsseldorf gemacht worden. Aber Theater darf und muss auch gesehen werden als internationaler kulturpolitischer Faktor, als ein Instrument gar der Völkerverständigung mit eigenen Mitteln.

In der Spielzeit 1982/83 wurde das Düsseldorfer Schauspielhaus von „Theater heute“ zum THEATER DES JAHRES gewählt: mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die Thematik des Spielplans und unseren Mut zu vielen neuen Stücken. Das war Bestätigung und Glücksgefühl für alle Mitarbeiter des Hauses, Belohnung für ein großartiges Zusammenspiel, angeführt von einem außerordentlichen Ensemble, angeleitet und dirigiert von vier dem Hause fest verbundenen Regisseuren. Unser Publikum, Stadt und Land als Rechtsträger und das Schauspielhaus lagen uns - nach steiniger Wegstrecke bis dorthin - in einer Art Theater-Rausch in den Armen. Die Besucherzahlen erreichten mit über 470.000 einen nie wieder erreichten Rekord.

Ein zweiter besonderer Akzent von außerordentlicher Bedeutung war der erste deutsch-deutsche Kulturaustausch zwischen der BRD und der DDR mit wechselseitigen Gastspielen. Zuerst kam das Düsseldorfer Schauspielhaus ans Schauspielhaus Dresden und Leipzig und dann das Schauspiel Dresden zu einem achttägigen umjubelten Gastspiel nach Düsseldorf. Das zeigte, wie Theater - selbst in politisch verhärtetsten Zeiten - mit seiner Bildkraft und Sprache Schneisen schlagen kann, Menschen verbindet und Grenzen und Systeme überwindet. „Ein derartiges Zusammenwirken zweier Bühnen aus der Bundesrepublik und der DDR hat es in der deutsch-deutschen Theatergeschichte der Nachkriegszeit noch nicht gegeben.“ (Süddeutsche Zeitung 8. 2. 1986). Am allerbesten hat unser Schauspieler Ulrich Matthes in einem Bericht „Euphorie und Kälte oder: die endlose Sehnsuchtsrevue“ sehr subtil-individualistisch unsere große Begegnung in Dresden und Leipzig ganz subjektiv, manchmal auch augenzwinkernd, zusammengefasst (siehe Theater heute 5/86).

 

Welchen Ort in NRW würden Sie Besuchern und Freunden gerne zeigen?

Nun sind es insgesamt drei Lebensabschnitte am Schauspielhaus geworden und Düsseldorf ist in diesen zusammengerechnet 27 Jahren meine Lebens-Stadt geworden. Beglückt, aber auch nachdenklich erlebe ich die offene Stadtgesellschaft hier, eingebettet in eine reiche Kulturlandschaft der Galerien, Museen, der Kunstakademie, der Oper und Tonhalle, der kreativen Freien Szene und auch der Altstadt-Altbier-Theken, die so kontaktfreudig Verbindungen schaffen, und das so einladende Rheinufer und seine endlosen Fahrrad-Wege. Mein Lieblingsplatz: Der Barbarossaplatz, der zum Verweilen und Treffen mit Freunden bei Giuseppe oder um die Ecke ins Cafe Muggel mit seinem kleinen Souterrain-Kino einlädt.

Am beeindruckendsten ist für mich aber die Umwandlung der Industriedenkmäler des Rhein-Ruhr-Gebietes in eine begehbare und erlebbare Industrie-Kulturlandschaft, die mit der Ruhrtriennale eines der bedeutendsten europäischen Festivals geschaffen hat und mit diesem Strukturwandel auch dem Theater faszinierende neue Spielräume und damit auch neue Spielformen und Inhalte mit spartenübergreifenden Programmen ermöglicht.

 

(Den Kontakt stellte theater:pur-Autor Dietmar Zimmermann her.)

4. August 2020