Un ballo in maschera im Aachen, Theater

Der Traum, ein Leben

Lange hat Aachen auf diese Verdi-Oper warten müssen: der letzte Ballo In Maschera liegt 23 Jahre zurück und ist nicht zuletzt dank einer plausiblen szenischen Arbeit Roland Veltes in guter Erinnerung geblieben. Nun also das Regiedebüt des als Intendant erfolgreichen Michael Schmitz-Aufterbeck, der bislang nur als Dramaturg in Erscheinung trat. Seine Inszenierung hebt interessant und bedeutungsvoll an. Zur Musik des Vorspiels sitzt König Gustav III. (schwedische Fassung!) mit seinem Pagen Oscar an einem Spielzeugtheater und vergnügt sich an künstlichen Wellen- und Wolkenspielen. Kurz lenkt die Musik Gustavs Gedanken zu Amelia, der Frau seines Hauptmanns und Freundes Renato. Zum Fugato öffnen sich in Oliver Brendels heller, leicht gemusterter Holzwandbühne schmale Durchlässe, durch welche die Verschwörer heranschleichen. Hier wird Musik mit gutem Ohr abgebildet, die Szene schafft Spannung und Atmosphäre. Danach aber folgt nur noch wenig, und das irritiert auch noch vielfach.

Ulricas Hütte wirkt wie eine (freilich sehr komfortable) Opiumhöhle, die Besitzerin ist ziemlich boutiquenhaft eingekleidet. Sandra Münchows Kostüme brechen in diesem ohnehin seltsam zeitlosen Bild aus der vorherigen Genauigkeit von Historie aus. Im 2. Akt ist der Boden spaltenlang durchbrochen, was den Sängern manch akrobatische Bewegungen abverlangt. Soll damit „Abgründiges“ symbolisiert werden? Die Verschwörerszene geht in ein albernes Getänzel über. Und warum am Schluss Oscar auftritt, erklärt sich nicht. Massenbewegung ist auch im Finale Schmitz-Aufterbecks Stärke nicht, trotz Unterstützung durch die Choreografin Anna Melnikova. Die intimere Personenführung lässt eh zu wünschen übrig. Mit seiner oft erlebten Darstellungsintensität kaschiert Yikun Chung das bei Gustav ein wenig, und gesanglich steigert sich der Tenor vor allem im letzten Akt zu seiner individuell-expressiven Form. Auch sein koreanischer Landsmann Tito You scheint ein Bühnenmensch von Schrot und Korn zu sein. Renatos Aufreiben zwischen Hass und Liebe wird besonders bei seiner Auseinandersetzung mit Amelia beklemmend deutlich; der Regisseur mag daran einigen Anteil haben. Yous Bariton ist klangvoll, ausladend und differenzierungsfähig. Jelena Rakic (Oscar) wird mit ihrem klaren, beweglichen Sopran offenbar immer mehr zu einem Liebling des Hauses, auch Sanja Radisic findet mit ihrer mezzoüppigen Ulrica viel Anklang. Nachdem Irina Popova in Poulencs Voix humaine mit ihrer intensiven Darstellung positiv überraschte, enttäuscht jetzt ihr vibratolastiger Verdi-Gesang (Amelia), der sich im 3. Akt allerdings glättet. Angemessen verkörpern Vasilios Manis (Christian), Pawel Lawreszuk (Graf Horn) und Il-Hoon Kim (Graf Ribbing) ihre Partien.

Péter Halász scheint von den düsteren Ulrica-Farben in Verdis Musik besonders fasziniert, gibt ihr aber auch sonst großen Atem und dramatische Wucht. Der noch amtierende GMD Marcus Bosch lässt es sich übrigens trotz seiner auswärtigen Verpflichtungen nicht nehmen, in der Aufführungsserie vier Repertoire-Vorstellungen zu dirigieren.