Roulette beim Prinzen
Auf leerer Bühne irrt ein schmachtender Alfred umher und sucht seine angebetete Rosalinde. Auf leerer Bühne träumt das Stubenmädchen Adele von der besseren Gesellschaft, während ihr Ebenbild schon auf quasi rosaroter Wolke in den Himmel schwebt.
Erst nach und nach, Stück für Stück entsteht (im Essener Aalto-Theater) Eisensteins Salon, in dem Regisseur Gil Mehmert sein lustvolles Spiel zwischen Schein und Sein startet.
So wie die Figuren sich mit falschen Identitäten versehen oder diese dann auch ebenso rasch wieder fallen lassen, so demaskiert Mehmert das Ganze als Theaterstück - oder aber als raffiniert inszenierte „Rache der Fledermaus“.
Da tauchen die Kulissen gleichzeitig mit den Figuren auf und verschwinden wieder. Bühnenarbeiter richten den Ballsaal des Prinzen Orlofsky auf. Vor den Augen des Publikums werden Illusionen offenbar - und funktionieren dennoch.
Und genauso funktionieren die vielen Regieideen, die mittels kleiner, wunderbarer Momente einen auf hohem Niveau unterhaltenden Abend kreieren: Schön und komisch anzusehen, wie Eisenstein sich unter der Dusche für den großen Ball frisch macht.
Und die Party beim Prinzen selbst? Dort hat Rosalinde ihren ganz großen Auftritt, wenn sie auf einem überdimensionalen Karussellpferd reitend die Szene betritt. Und ein ganz goldener Tänzer verkörpert die Majestät Champagner – flattert von einer Person zur nächsten und versetzt sie in einen beschwingten Rausch. Und auf Jens Kilians bewusst so spartanisch gehaltener Bühne herrscht in Orlofskys Ballsaal viel Opulenz. Da wird ein riesiges Roulette zum Champagnerbrunnen und Dagmar Morell entwirft fantastisch und vielfältig die Ballgarderobe.
Gelungen auch der oft so zähe, kalauernde dritte Akt: dank der generell gänzlich entschlackten, gradlinigen Dialoge kommt auch hier bis zur großen Enttarnungsszene keine Langeweile auf. Flott und vorwärtsdrängend gestaltet sich hier die Handlung. Da wird des Wärters Frosch Alkoholproblem ebenso wenig überlang ausgeweidet wie das Advokatenstottern des Dr. Blind.
Gil Mehmert schafft eine Fledermaus, die ohne kritische Anteile dennoch einen absolut runden Abend bietet – voll von warmherzigen Humor menschliche Unzulänglichkeiten betrachtend.
Und perfekt ist der Abend auch, weil alle Mitwirkenden mit großer Freude und großem Können bei der Sache sind. Das gilt ganz besonders für die Essener Philharmoniker unter Stefan Soltesz, die das Funkelnde, das Augenzwinkernde, aber auch das Melancholische von Strauß’ Musik unmittelbar erfahrbar machen. Das gilt - wie fast immer – auch für den sängerisch wie schauspielerisch hervorragenden Chor Alexander Eberles.
Und das gilt auch für das Solistenensemble. Peter Bording ist ein perfekter Eisenstein mit beweglichem Bariton und ganz und gar eleganter Operettenheld. Alexandra Reinprechts Rosalinde zieht im Csardas alle Ohren und Augen auf sich. Ihr Zimmermädchen Adele ist Hulkar Sabirova, die mit blitzsauberen Koloraturen glänzt. Rainer Maria Röhrs heller Tenor ist ideal für den tumben Advokaten Blind und Michael Haag singt den Gefängnisdirektor Frank ebenso geschmeidig wie Tom Zahner den Frosch spricht.
Abstriche gibt es lediglich zu machen bei Heiko Trinsingers Dr Falke, der eher blass und seltsam belegt wirkt. Matthias Rexroth als Orlofsky singt leider nicht immer ganz intonationssicher.
Zurecht aber gefällt dem Premierenpublikum der Abend und es wird großzügig applaudiert.