Blickfang Bühnenbild
Giuseppe Verdis Rigoletto ist die fünfte Kölner Inszenierung von Katharina Thalbach für das Musiktheater. Nachdem der ehemalige Opernintendant Christoph Dammann mit einer zunächst umstrittenen, dann sehr kultmäßigen Salome die Kooperation gestartet hatte, sorgte Uwe Eric Laufenberg mehrfach für Reengagements. Die aktuelle Arbeit von Katharina Thalbach wird zunächst durch einen von Ezio Toffolutti gestalteten Vorhang akzentuiert, der in irritierender Perspektive ineinander verschachtelte Hausarchitekturen zeigt. Die Welt aus den Fugen, interpretiert man auch angesichts der späteren, auf den Kopf gestellten Palastwände. Sie ist es ja auch bei Verdi und schon zuvor bei Victor Hugo, dessen Le roi s’amuse bereits per Titel anzeigt, dass unter dem Herzog von Mantua ein oberflächlicher, moralverachtender Lebensstil regiert, welcher sensibel geartete Menschen zugrunde gehen lässt. Die Maske des Mitläufers hilft dem Titelhelden nicht. Würde ihm nicht seine Tochter genommen - er käme sicher früher oder später per Seelenkollaps zu Tode.
Das höfische Lotterleben vermag Katharina Thalbach durchaus wirkungsvoll einzufangen. Allerdings deutet sich bereits an, was in den Folgebildern (vor allem bei der nachgestellten Entführung Gildas) Beweischarakter erhält: mit einem Opernchor vermag die Regisseurin nicht umzugehen. Da werden vergilbte Gesten, leere Posen und steifleinerne Gänge wieder lebendig. Eindrucksvoll hingegen, wie bei den Auftritten des an einen Rollstuhl gefesselten Monterone (Immerhin: „La maledizione“!) die Lichtstimmungen wechseln: zuerst ein Zug von Kandelabern, später ein schattenwerfender Scheinwerfer. Überzeugend auch, wie sich im Finale das Boot mit der toten Gilda aus dem leer gewordenen Bühnenraum bewegt und Rigoletto mit seinem Verzweiflungsausbruch einsam zurückbleibt.
Bei der Vater-Tochter-Beziehung, wie Katharina Thalbach sie zeigt, lassen sich keine Brüche erkennen, obwohl die massive Fürsorge, welche praktisch auf eine Einkerkerung hinausläuft, die pubertierende Gilda eigentlich etwas rebellisch machen dürfte. Ihre unbeirrbare Liebe zu dem fremden „Studenten“, der sich dann als höfischer Tunichtgut und Verführer entpuppt, scheint der Regisseurin offenbar „Widerstand“ genug. Dass es dem Publikum nicht genug war, machten am Ende der Premiere unüberhörbare Missfallenskundgebungen deutlich.
Musikalisch fällt die Aufführung in die Kategorie „erstrangig“. Alain Altinoglu dirigiert feuerköpfig die immer wieder aufsiedende Verdi-Musik, beachtet aber sorgfältig die melodische Innen- und Außenspannung. Alle Rollenprotagonisten geben ihre Partien zum ersten Mal (eine „Spezialität“ bei Laufenberg). Markus Brück verbindet immensen Bariton-Wohllaut mit vehementem Ausdruck, Anna Paliminas höhenleuchtender Gilda-Sopran lässt einen dahin schmelzen, Dmitry Korchak ist der unangenehm leichtsinnige und angenehm leichtstimmige Herzog bei äußerst fescher Erscheinung. Dazu kommt raumfüllend der dräuende Sparafucile-Bass Bjarni Thor Kristinsson, dessen Timbre etwas an Martti Talvela erinnert. Über Nino Surguladze möchte man nach der Maddalena noch nicht endgültig befinden, Oliver Zwarg donnert den Monterone-Fluch machtvoll.