Übrigens …

Wo die wilden Kerle wohnen/Dido und Aeneas im Bielefeld, Stadttheater

Von Eifersucht und wilden Kerlen

Ein kleiner Junge, der seine bösen Träume besiegt - und eine Königin, die sich aus Liebeskummer in den Tod stürzt. Bei müssen sich ihren Ängsten stellen. Und darin sieht das Regieteam um Holger Potocki das verbindende Element von Oliver Knussens Wo die wilden Kerle wohnen und Henry Purcells Dido und Aeneas. Das diese Verbindung wohl doch eher theoretischer Natur ist und praktisch keine Auswirkungen hat, zeigt die Tatsache, dass lediglich der Bühnenraum gemeinsames Element beider Opern ist.

Der Bielefelder Doppelpremieren-Abend, der ja auch einen immensen musikalischen Zeitsprung macht, wird trotzdem ein Erfolg. Das liegt vor allem an Lukas Noll, dem Ausstatter der Produktion. In Wo die wilden Kerle wohnen schafft er mit einem riesenhaften Bonsai eine wilde Fantasiewelt, in der der kleine Max mit den wilden Kerlen, seinen Traumgeschöpfen, ringt. Und hier ist er es, der sich durchsetzt – genauso wie seine Mutter vorher ihm gegenüber. Diese Gegensätze von Eltern und Kind inszeniert Potocki beispielsweise durch den übermächtigen, auf Stelzen schreitenden riesigen Vater sinnfällig. Eine absolute Augenweide sind die vom Performing Arts Studio Bielefeld dargestellten Kerle.

Dido und Aeneas, die Geschichte der Liebe der Königin von Karthago zum Trojanerprinzen, die wegen dessen schicksalhafter Bestimmung sich nicht erfüllen kann, wird in Bielefeld zum Eifersuchtsdrama. Diese Lesart ist durchaus möglich und unterstützt den psychologischen Überbau des Abends. Da ist schon ergreifend mit anzusehen, wie Aeneas es mit Didos Vertrauter Belinda treibt, während die Königin, psychisch längst angeschlagen, daneben steht und sich nur noch gedanklich wehren kann.

Auch in Purcells Einstünder sind Lukas Nolls Kostüme ein echter Blickfang: Detailreiche, farbige Ballkleidung bestimmt das Bild. Und in der Mitte dieser so trügerischen Fröhlichkeit steht die Königin Dido in einem cremefarbenen Traum mit zartem Rot.

Musikalisch geraten Oliver Knussens Wilde Kerle sehr ansprechend. Das liegt vor allem an Christiane Linke, die als Max wirklich brilliert. Ihr nimmt man den Trotz, den Mut und die Verzweiflung und Angst ab. Sie gibt das Kind absolut überzeugend und auch ihr Sopran klingt da gar nicht weiblich. Ihr sekundieren gekonnt Sünne Peters als genervte Mutter und Michael Pflumm, Daniel Billings, Torben Jürgens und Jacek Janiszewski als wirklich wilder Chor der Wilden Kerle. Oliver Knussens Musik schafft Stimmungsbilder, spielt mit Klängen, Tönen und Geräuschen: Das transportieren die Bielefelder Philharmoniker unter Witolf Werner gut, klingen aber wie immer im Bielefelder Stadttheater ziemlich laut.

In einer derartig knalligen Akustik hat es eine Barockoper naturgemäß sehr schwer. Nicholas Kok leitet vom Cembalo aus eine Mischung von Orchestermusikern und historisch-informierten Experten. Das erweist sich in Bielefeld im Großen und Ganzen als geglückte Mischung, wenn das Klangergebnis sich auch nicht immer als ganz perfekt erweist.

Mit dem Barockgesang allerdings tun sich die Mitglieder des Opernensembles nicht sehr leicht. Melanie Forgeron und Daniel Billings als Liebespaar verfügen über wunderschöne Stimmen, die allerdings in Purcells feingewebten Arien oft zu direkt und geradeaus daherkommen. Cornelie Isenbürgers Sopran besitzt genau die gewünschte Leichtigkeit, wirkt aber – ganz ungewohnt – am Premierenabend mitunter ein klein wenig unkontrolliert. So bleibt es Michael Pflumm als Matrose wie Batmans Joker maskiert vorbehalten, mit seinem wendigen Tenor das Glanzlicht zu setzen.

Zwei Premieren an einem Abend, die dennoch hinter der glanzvollen Musiktheatersaison in Bielefeld etwas zurückbleiben.