Übrigens …

Border im Köln, Oper

Politisches Stück mit eingängiger Musik

Eine Kinderoper besitzt Köln seit 15 Jahren. Zwischen ihrem Spielplan und dem Repertoire im Großen Haus könnte man eine noch unausgefüllte Lücke empfinden. Sie hat jetzt Ludger Vollmer mit einem ziemlich anspruchsvollen Werk auszufüllen versucht. Dass Vollmer ein Kind dieser Zeit ist, ohne traditionelle musikalische Sprachmuster aus den Augen bzw. Ohren zu verlieren, zeigte schon Gegen die Wand nach dem Film von Fatih Akin (vor einiger Zeit in Hagen gespielt). Auch Border ist geprägt von einer unmittelbar eingängigen Musik, die zwar keine harten Klänge scheut, doch immer wieder in tonal grundierte Kantilenen mündet und auf klassische Formschemata setzt (gleich zu Beginn ein Terzett, später ein ausgedehnter a-cappella-Chor).Vor allem schreibt der Komponist überaus bildhaft, selbst ein Windsäuseln findet im Orchester klangliche Entsprechung. Dass unter diesen Umständen Vollmers Musik hin und wieder auch zitathaft durchsetzt ist (Orff, Wagner, Minimal Music), kann nicht verwundern.

Der Operntitel meint sowohl Begrenzt-Sein wie auch Grenzüberschreitung, ein Bedeutungsduplizität, wie sie sich beim Mauerfall von 1989 besonders einprägsam versinnbildlichte. Die Welt hat sich seit damals verändert, aber nur zu Teilen gebessert. Noch immer gibt es Unterdrückung, Unfreiheit, Fluchtversuche um des nackten Lebens willen.

Border erzählt von den Geschwistern Makaria, Abiah und Farid, deren Vater in einem nicht näher genannten, diktatorisch regierten Land ermordet wurde. Sie fliehen auf getrennten Wegen nach Deutschland, wo ein Freund des Vaters als Exilant lebt, und hoffen dort auf vorübergehende Bleibe. Dieser Iolaos hat einen Sohn Manol, der völlig in seiner Computerwelt lebt. Aus ihr erweckt ihn die Begegnung mit Makaria - eine zarte Liebe beginnt. Aber Kopreus, ein Agent des Geheimdienstes, ist den Flüchtlingen auf der Spur und beendet ihre Hoffnung auf Glück mit Pistolenschüssen. Man denkt automatisch an Mauerschützen, an Stasi-Bespitzelung, eine Vergangenheit also, die bei vielen noch grausam in Erinnerung haftet.

Das wird von der klugen, sehr raumbewusst angelegten Uraufführungs-Inszenierung Elena Tzavaras (in der schwarz-kargen Bühnenlandschaft Annika Hallers, die auch das Stück entwickelt hat) leider etwas verharmlost. Es war vielleicht per se keine so glückliche Idee, dass sich das Libretto (Stephanie Schiller) auf die Euripides-Tragödie Kinder des Herakles beruft. Die Kostümbildnerin Elisabeth Vogetseder ließ sich beispielsweise dazu verleiten, die Sängerdarsteller in graecisierende Flattergewänder zu stecken, eine wahrlich naive Idee. Die Regisseurin wiederum wählt ein mildes Finale, in dem eigentlich Züge des Scheiterns, der Brutalität nachhaltig hätten aufscheinen müssen. Gut gemeint …

Unter dem jungen, aus Aserbaidschan stammenden Dirigenten Fuad Ibrahimov spielt das Gürzenich-Orchester so präzise wie farbenreich. Wie Jens Olaf Buhrow die vielen jungen Chorsänger trainiert hat, ist bewundernswert. Jung auch das Solistenensemble, mit Ausnahme von Werner Sindemann, der - noch immer stimmkräftig - in der Partie des Iolaos sein 50jähriges Bühnenjubiläum feiert. Auch beim Nachwuchs (Opernstudio) legen sich alle sehr ins Zeug: Sandra Janke (Abiah), Charlie Kedmenec (Farid) und Ralf Rachbauer (Manol). Die Bassschwärze von Matias Tosis Stimme gibt dem Kopreus sinistre Konturen. Bei der Makaria-Partie bewährt sich der ungemein höhensichere Sopran von  Gloria Rehm, welchen der Komponist fraglos dezidiert bediente. Die junge Sängerin hatte am Ende des Vorjahres als Zerbinetta-Einspringerin mit einer sensationellen Leistung aufgewartet und dürfte künftig verstärkt von sich hören lassen.