Vom Aufstieg und Fall eines einzigartigen Sextetts
Am Ende herrscht Fassungslosigkeit: Nach gemeinsamen erfolgreichen Jahren wandeln sich freundschaftliche Gefühle in Misstrauen und Hass: Die drei jüdischen Sänger der Comedian Harmonists müssen vor den Nazis fliehen, die anderen drei werden Mitglieder der Reichsmusikkammer.
Vom Aufstieg und dem bitteren Ende des so erfolgreichen Sextetts erzählt Gottfried Greiffenhagens und Franz Wittenbrinks Musical, das jetzt im schmucken Theater Paderborn zu sehen ist. Die Geschichte der Comedian Harmonists – dies wird ganz schnell klar - ist auch die Geschichte einer ganzen Nation.
Helga Wolf inszeniert nah am Text, mit unterstreichender Gestik, lässt ansonsten der Kommunikation des Ensembles freien Lauf, was bisweilen einige Scherze etwas oberflächlich daherkommen lässt, im Großen und Ganzen aber den Fortgang der Handlung befördert. Das tut auch das Bühnenbild von Julia Burde. Wenige Requisiten reichen, um wechselnde Räume zu zeigen. Und auf den Projektionsflächen an der Bühnenrückwand werden zeitgenössische Bilder sichtbar: ein Berliner Kino, Bühnen in Leipzig und Wien, die Skyline von New York. Das dokumentiert Zeitgeschichte. Im Grunde genommen bildet die Handlung des Stücks ja auch nur den Rahmen für die unvergesslichen Songs der Comedian Harmonists. Die stellt Helga Wolf auch ganz klar in den Mittelpunkt ihrer Arbeit und entwirft für die Sänger eine Vielzahl hübscher Choreografien, die die Auftritte in den Schauspielhäusern und Theatern des deutschen Reiches und darüber hinaus zu echten Hinguckern werden lassen.
Und wenn dann noch wirklich gute Sängerdarsteller auf der Bühne stehen, ist der Erfolg schon so gut wie sicher. So wie hier in Paderborn. Daniel Große Boymann ist Erwin Bootz, der die Federführung an sich reißende Pianist. Da ist der selbstgefällige Robert Biberti – eine Rolle, die Till Bleckwedel ausdrucksstark umsetzt. Gekonnt unsicher Andreas Schneider als Ari Leschnikoff – ein Tenor mit typisch osteuropäischem Tonfall. Sie überzeugen stimmlich genauso wie Kristian Lucas als Erich Collin und Thomas Christ als von Selbstzweifeln geplagter Harry Frommermann. Wie den Zwanziger Jahren entsprungen gibt Oliver Nöldner mit elegantem Bariton den Roman Cycowski. Rafel Meltzer schlüpft gekonnt in alle möglichen Rollen, vom Hausmeister bis zum SS-Offizier.
Sehr elegant wirken Julia Burdes Frackkreationen, die die Sänger auch optisch zu wirklichen Stars werden und die Songs funkeln lassen. Und die funkeln wirklich: die schöne Isabella von Kastilien und der Onkel Bumba aus Kalumba genauso wie der Blumentopf , der Kleine grüne Kaktus oder die bezaubernde Puppenhochzeit...
Das Publikum im voll besetzten Theater geht von Beginn an mit, applaudiert nach jedem Lied, tobt am Ende vor Begeisterung und lässt die Akteure erst nach mehreren Zugaben von der Bühne. Es bedarf nicht der Gabe der Prophetie, um vorherzusagen, dass sich diese Comedian Harmonists zum Renner für das Theater Paderborn entwickeln dürften.