Übrigens …

Die lustigen Weiber von Windsor im Oper Bonn

Die sehr lustigen Weiber

Falstaff ist ein rechtes Mannsbild, mit mancherlei unsympathischen Zügen, aber auch vor rustikalem Charme strotzend. Verdi hat ihm weise Schlussworte zugewiesen, bei Otto Nicolai kommt er auf eher banale Weise mit einem blauen Auge davon. Verdi gönnt ihm weiterhin einen intellektuell geschliffenen Ehre-Monolog, Nicolai nur ein Sauflied. Die psychologischen Unterschiede spiegeln sich in der Musik der beiden stoffgleichen, gleichwohl sehr divergierenden Werke nachhaltig. Nicolai hat rezeptionell fraglos den Kürzeren gezogen, und doch ist sein bekanntestes Werk ein Meisterstück, voll kapriziöser Musik, die mitunter auch das volle Flair der Gefühlsromantik atmet. Robin Engelen macht das bei der Bonner Neuproduktion mit dem Beethoven Orchester hörbar, auch wenn nicht alle schwärmerischen Nuancen ausgereizt werden, einige Farbwirkungen leicht vordergründig wirken. Auch irritiert des Dirigenten Neigung zu extremen Tempodehnungen, während die Chorszene des Schlussbildes fast zu Tode gehetzt wird.

Tom Ryser scheint zeitweilig eine Oper mit dem Titel „Die sehr lustigen Weiber von Windsor“ zu inszenieren. Genuine Komik bordet da schon mal über und gerät in die Fänge des Kalauers. Die Titelfigur hingegen wird bei alledem ernst genommen. Über eine Bodenwölbung arbeitet sich Sir John zu Beginn bäuchlings und kaum mehr als mit einem Müllsack versehen, zu einer Welt empor, die ihm, dem sanguinischen Genussmenschen, erträgliche Existenzbedingungen verschaffen soll. Der finalen Versöhnung verweigert er sich aber nach den vielen Frustrationen, er kehrt in seine unirdischen Tiefen zurück, wahrhaft ein Ritter der traurigen Gestalt. Auch Nicolais Musik (die einige Striche erdulden muss) wird gebrochen. Ein harmonisch aufgerautes Lied von Henry Purcell, gesungen von „Frau Reich“, setzt kurz vor Schluss eine melancholische Zäsur. Der Kehraus kann danach nicht mehr ungetrübt sein. Das den Zuschauerraum des Bonner Theaters spiegelnde Bühnenbild (Stefan Rieckhoff) mahnt ebenso ein „Erkenne dich selbst“ an wie zuletzt die Figur des „Traumspiegels“ (Alter Ego von Falstaff). Komödiantisch köstlich das stumme Trio der Elfen, eine Sommernachtstraum-Reminiszenz ebenso wie die mit Luftballons zauberhaft evozierte Mondschein-Szene  des Finalbildes. Mit Details der Inszenierung mag man rechten, aber sie besitzt Flair und setzt zudem hintergründige Überlegungen in Gang.

Philipp Meierhöfer ist für den Falstaff körperlich angemessen breit gebaut, nähert sich sängerisch aber vorteilhaft der Rollenvariante Verdis an. Von den weiteren Herren der Schöpfung profilieren sich Giorgos Kanaris (Fluth), Ramaz Chikviladze (Reich), Piotr Micinski (Cajus) und - mit einigem Abstand - Mark Rosenthal (Spärlich). Randall Bills ist als Fenton ein netter Schlacks mit genügend Schmelz für seine Romanze. Emiliya Ivanova verströmt sich expressiv in Annas großer Szene, Herzensmusik, wie man sie sich schöner nicht wünschen kann. Und die lustigen Weiber? Anjara I. Bartz ist mit üppigem Mezzo ausgesprochen kess als Frau Reich, Julia Kamenik als Frau Fluth sogar um noch einige Grade mehr. Aber sie scheint sich von leichter Koloratur und lyrischem Sentiment langsam zu entfernen. Wohin?