Die Entführung aus dem Serail im Essen, Aalto-Theater

Ganz aus dem Geiste der Musik

Nein, eine Befreiung aus dem Harem eines despotischen Türken und niedliche klingelnde, klirrende Janitscharenklänge gibt es diesmal nicht. Auch keinen rotwein-seligen, dickwanstigen Zerberus, der für Zucht und Ordnung sorgt und die Entführung der gekaperten „Gäste“ verhindert. Ganz aus dem Geist der Musik ist Jetske Mijnssens erste Mozart-Inszenierung entstanden. Das Libretto des Singspiels „alla Turca“ lässt die Niederländerin mutig links liegen, verpasst Bassa Selim, Konstanze, Belmonte und Co heutiges Aussehen und moderne Identitäten, legt ihnen eigene, knappe Texte in den Mund (dem Bassa zwei gefühlvolle Sprech“arien“).

Heraus gekommen sind zwei Dreiecks-Beziehungs-Geschichten – eine leichte, in der die kokette Blonde (hinreißend in Aussehen, Stimme und Spiel: Christina Clark) ihren Lover Pedrillo (handfest und treuherzig mit klarem Tenor: Albrecht Kludszuweit) gegen den robusten, polternden Osmin (Hüne mit schlankem Bass: Roman Astakhov) ausspielt, und eine anrührend melancholische: Konstanze (mit glänzenden Koloraturen: Simona Saturova) wird von dem reichen Bassa (hinreißend verliebter Charmeur: Maik Solbach) umworben, der von ihrer Liebe zu Belmonte (lyrisch und ein bisschen bieder: Bernhard Berchtold) nichts ahnt, und gerät in heftige Gefühlskonflikte. Als Bassa sie gekränkt und enttäuscht wegschickt, bleibt die Unschlüssige verzweifelt zurück. Wohin, zu wem sie schließlich – nach der Wiederholung der Ouvertüre – mit ihrer Reisetasche zieht, bleibt offen.

Bis auf diesen abrundenden Eingriff bleibt die Musikfolge unangetastet. Die 21 Arien, Duette, Ensembles und Chöre bis zum berückenden Vaudeville („Wer solche Huld vergessen kann….“) erklingen mit schönsten Stimmen. Da man die Texte kaum versteht, fällt auch Ungereimtes nicht ins Gewicht. Der Orchestergraben ist wie für eine Barockoper mit kammermusikalischer Besetzung weit hochgefahren. Da wird unter Christoph Poppen mit feinster Delikatesse berückend transparent und federnd musiziert.

Die Bühne hat Sanne Danz, an die Eleganz des Aalto-Theaters angelehnt, ganz in weiß mit architektonischem Raffinement entworfen: vorn die breite Terrasse des Landhauses von Bassa Selim, wo Familie und Freunde eine Überraschungsparty zu seinem 40. Geburtstag vorbereiten, was seinem geplanten Tête-à-tête mit Konstanze gehörig in die Quere kommt. Einige Stufen höher fahren später die Räume des Hauses wie ein eckiges Teleskop aus. Unifarben hat Arien de Vries Chor und Solisten geschmackvoll, unaufdringlich gekleidet.

So ist Mozarts altmodisches Singspiel im modernen Gewand vollauf gelungen. Dass sich bei der Premiere in den Schlussapplaus auch ein paar laute Buhs für das Regieteam mischten, ist schwer nachvollziehbar. Der Jubel für die Sänger-Darsteller und die Musiker mit ihrem Dirigenten war glücklicherweise einhellig.