Von Kindern für Kinder
Den Einstieg liefert Sepehr Hajjaferi im Stile des Beat-boxing, und unter all den Geräuschen, die er kunstvoll imitierend herauspresst, blitzt der Name Cinderella auf. Im Märchen kennen wir dieses junge, schöne Wesen, das von seinen plumpen Stiefschwestern schikaniert wird, um schließlich zur Prinzessin zu avancieren, unter dem Namen Aschenputtel (oder Aschenbrödel). Die Geschichte der Grimm-Brüder hat dabei manche musikalische Formung erfahren. Die bekannteste dürfte Rossinis La Cenerentola sein.
Im Dortmunder Opernhaus ist nun aber Peter Maxwell Davies’ Cinderella zu sehen, ein Werk „von Kindern zu spielen und zu singen“. Ein flottes Stück, gewürzt mit ein bisschen Ulk und einer Prise Herzschmerz. Getragen von einer überwiegend leichtgängigen, transparenten, stark pulsierenden und motorischen Musik, die bisweilen das Melancholische streift, andererseits mit subtilen Klangeffekten überrascht. Dies alles komprimiert auf eine Stunde Spielzeit, kompatibel eben für Kinder und Jugendliche, den anvisierten Zielgruppen.
Davies hat sein Werk eine Oper genannt, doch ist die Nähe zum Unterhaltungsgenre, mithin zum Musical, unüberhörbar. Eher einfache harmonische Verläufe, die Strophenform der wichtigsten Songs, die Anlehnung an Walzer, Square Dance oder Boogie Woogie stehen nicht für die große musikdramatische Tradition. Gleichwohl hat der Komponist eine schwierige Aufgabe bewältigt: mit Augenmaß und Raffinesse ein Stück zu schreiben, das für junge Künstler machbar ist und genug Drive besitzt, das ebenso junge Publikum hineinzuziehen.
Noch gewaltiger ist allerdings ist das Projekt, auf das sich die Junge Oper Dortmund, in Kooperation mit den Philharmonikern der Stadt und Schülern des Helene-Lange-Gymnasiums eingelassen haben. Denn viele der jungen Protagonisten näherten sich als Laien den Gesangs- und Instrumentalpartien. Ein Kraftakt, bravourös und mit Herzblut geleistet. Schade allerdings: Es konnten nur drei Vorstellungen angesetzt werden.
Cinderella also: Als Au-Pair-Mädchen kommt sie zur schwerreichen Mrs. Grumble (Jasmin Bick), die mit ihren drei trotzköpfigen, zickigen Töchtern kaum zurecht kommt. Regisseurin Brigitta Gillessen mag Cinderella (Tanja Ferreira-Radke) etwas eindimensional als resignierende Unschuld vom Lande darstellen – die starke Zeichnung der schrulligen Grumble-Kinder gelingt ihr umso besser. Dass dieses Trio mit den furchterregenden Namen Medusa, Hekate und Dragonia (Julia Breier, Sonja Skindziel, Lara Kaiser) schließlich in drei exzentrischen Typen (der Modefotograf, der Musikproduzent, der Lord/Vivian Potthoff, Monia Bezaz, Tanja Bräsicke) ihren Liebsten finden, gehört ebenso zum ausgelassenen Finale wie die Hochzeit Cinderellas mit dem Prinzen (Robert Lankester).
Ute Lindenbeck hat dazu nicht nur teils schicke, teils peppig-schrille Kostüme geschneidert, sondern auch die Bühne als britische Bahnhofsbaustelle sehenswert ausgestaltet. Hier sitzen die Protagonisten auf Koffern, den Zug zu Cinderellas Geschichte erwartend. Unter den vielen Details fällt ein kleines Foto unmittelbar ins Auge – ein Bild mit ungeheurer Symbolkraft: der junge Prinz Charles mit Lady Di.
Die scheue schöne Kindergärtnerin fand einst ihren Prinzen, doch Liebe und Treue währten nicht ewig. In Davies’ Oper wünschen die Kinder (der Schulchor „Singflut“) dem Paar soviel Glück, wie es ertragen könne. So wird das Märchen Cinderella mit einem kleinen Zweifel behaftet.
Zuletzt, doch umso nachdrücklicher sei das Orchester erwähnt: Was die Laienmusiker, unterstützt von Mitgliedern der Dortmunder Philharmoniker, leisten, ist aller Ehren Wert. Dafür steht indes auch Michael Hönes, der umsichtig agierende, pointiert zeichengebende Dirigent. Applaus, Applaus.