Übrigens …

The Who's Tommy im Bielefeld, Stadttheater

Der Flipper-Star

Das muss in den Synapsen knacken. Das muss abgehen, vibrieren und dem Hirn keine Chance lassen, sich irgendwie einzuschalten. So wäre das ideal, wenn The Who’s Tommy auf der Bühne zu sehen ist. Und so ist es am Schluss auch im Theater Bielefeld. Kaum ist der letzte Ton verklungen, springt das Publikum von den Sitzen und klatscht und pfeift und trampelt. So werden Kassenschlager geboren.

Dabei hat das Ganze in der Inszenierung von Götz Hellriegel doch eher verhalten begonnen. Die einzelnen Szenen im Leben des taub-stumm-blinden Jungen, der durchs perfekte Flippern berühmt wird, werden schnell und schwungvoll aneinandergereiht. Von der Traumatisierung durch den Mord, den er ansehen muss über den Missbrauch durch den Verwandten, die Zweifel der Eltern und die Heilung durch den zerbrochenen Spiegel. Das ist alles schön anzusehen und mit netten Details garniert. Und auch Hellriegels Choreographien machen etwas her und sind sehr vielseitig.

Doch alle Akteure brauchen einige Zeit, um sich frei zu spielen. Das gilt auch für die sechsköpfige Live-Band, die William Murta erst allmählich zum Rocken bringen kann. Leute: gleich mehr aus Euch rausgehen und ja, auch ein wenig mehr Krach und Dröhnen wär’ schön.

Wann kommt der Umschwung? Vielleicht mit Brigitte Oelkes Auftritt als Acid Queen. Die macht von Beginn an klar: So, hier bin ich – und jetzt hört ihr mir mal zu. Oelke ist eine echte Vollblut-Musicaldarstellerin, die diesen Abend auch gesanglich krönt.

Und dann geht es wirklich los in Bielefeld. Vergessen ist die lethargische Trauer ob der Niederlage der Arminia bei Preußen Münster und plötzlich springt der Funke über.

Philipp Dietrich wandelt sich vom braven Jungen zum charismatischen Pinball Wizzard, Alexander Franzen und Carina Sandhaus verströmen als Elternpaar Melancholie und Hoffnungslosigkeit, Carlos Horatio Rivas als bösem Onkel möchte niemand einen Minderjährigen anvertrauen und Nicky Wuchinger wird vom sadistischen Cousin zum geschäftstüchtigen Manager.

Das toll sich bewegende Ensemble tanzt sich frei; zeigt den Spaß, den Tommy machen kann. Und auch die Band erlaubt sich ein paar Ausbrüche. Weiter so - und Tommy in Bielefeld wird zum richtigen Reißer!

Eine kleine Mäkelei zum Schluss: Wer wie ich Tommy noch auf Vinyl gepresst besitzt, dem machen die braven deutschen Texte so gar keinen Spaß...