Übrigens …

Prometheus im Duisburg, Kraftzentrale

Klangliches Kraftzentrum in entschleunigter Bewegung

Im Jahre 1960 hatte Wieland Wagner den Komponisten Carl Orff zum ungekürzt vertonten altgriechischen Dramentext „Der gefesselte Prometheus“ von Aischylos angeregt. Das Unikum einer neuzeitlichen Rekonstruktion der Klanggewalt und Wucht von Sprache und Musik im antiken Theater wurde erst nach dem frühen Tod des Regisseurs fertig gestellt, so dass die bereits für Stuttgart geplante Uraufführung am 24. März 1968 von Gustav Rudolf Sellner im Bühnenbild von Teo Otto in Szene gesetzt wurde. Dem folgten in München August Everdings erste Musiktheaterregie und zwei weitere szenische Realisierungen.

In die Kraftzentrale Landschaftspark in Duisburg, die Ähnlichkeiten mit der Jahrhunderthalle Bochum aufweist, aber nicht so lang gestreckt ist, hat der australische Performancekünstler und Choreograf Lemi Ponifasio ein schwarzgrünes, durch Lichtquerleisten strukturiertes, stark spiegelndes Spielpodest installiert. Darauf bewegen sich Solisten, Sänger und Sängerinnen des ChorWerk Ruhr und Mitglieder von Ponifasios Tanzkompanie MAU in entschleunigter Bewegung.

Eine bildliche Umsetzung der ohnehin handlungsarmen Aktion wurde dabei bewusst vermieden. Prometheus ist aufgeteilt in den stehenden oder auf einer schwarzen Bank sitzenden Sänger und in einen Darsteller, der auf einem leuchtenden Altar gebettet und später mit Wasser übergossen wird. Die gehörnte Io trägt ein langes, blaues Abendkleid und statt Hörnern eine geflochtene Hochfrisur. Als ihr Double bewegt sich ein Tänzer affenartig auf allen Vieren durch die Tiefe des Raumes. Das rituell langsame Vorwärts- und Rückwärtsschreiten der Solisten und Choristen gemahnt an Inszenierungen Bob Wilsons, das Trippeln der Tänzer ans No-Theater, und in extremer Bühnentiefe enthüllt die umfangreiche Statisterie beiderlei Geschlechts ihre Oberkörper. Doch auch die Produktion von Cages Europeras in Bochum hat in Ponifasios „Zeremonie der Macht“ offensichtlich Spuren hinterlassen: bisweilen durchqueren die Darsteller eilig die Tiefe der in rechteckige Querfelder strukturierten Spielfläche.

Und beim Auftritt des Hermes, den der Schauspieler David Bennent szenisch eindrucksvoll, aber in schlechter, offenbar nur phonetisch gelernter Diktion, verkörpert, unterläuft dem Regisseur dann doch eine Visualisierung: in der Rückwand leuchten fünf Oberlicht-Fenster auf, die augenscheinlich den Olymp symbolisieren. Und am Ende stößt Hephaistos (Eric Houzelot) Rauchschwaden aus.

Unangenehm blendet die Reflexion eines Scheinwerfers auf der Spielfläche das Publikum auf der Tribüne fast die Hälfte des zweieinhalbstündigen, pausenlosen Abends.

Die im Programmheft abgedruckte Übersetzung Heiner Müllers, welcher ein weiterer, halbszenischer Abend der Triennale gewidmet ist, kann in der Dunkelheit nicht mitgelesen werden und auf Übertitel wird verzichtet, so dass sich die des Altgriechischen zumeist nicht mächtigen Zuschauer ausschließlich auf die Aufnahme der Klänge konzentrieren müssen.

Das aus den Formationen Ensemble musikFabrik, SPLASH-Perkussion NRW und Orchesterzentrum NRW gebildete Orchester ist auf der rechten Seite der Halle, auf einer hohen Rampe platziert und bis auf seine Noten in Dunkelheit gehüllt.

Mit einer immensen Batterie internationaler Schlagwerke, darunter aber auch Marimbaphon und gestrichene Gläser, kommt Orffs Klangkörper ohne hohe und mittlere Streicher aus. Er setzt neun Kontrabässe, vier Klaviere, vier Harfen und zwei Orgeln ein, die sich eigentümlich mit sechs Bläsern mischen.

Fragwürdig ist jedoch die bei dieser Rauminstallation erfolgte elektroakustische Verstärkung des Orchesters und der durchschlagskräftigen Sänger.

Hermes’ Text wird bei seinem Auftritt durch Lautsprecher extrem verzerrt, was wohl an politische Massenansprachen des 20. Jahrhunderts gemahnen soll.

Peter Rundel leitet den Gesamtkomplex musikalisch exquisit, mal zum Klangkörper, mal zur Bühne gewandt, im Vertrauen auf  die starke Struktur des Rhythmus, aus dem erst ganz allmählich eine melodische Struktur entsteht. Das affirmative Deklamieren der dreisilbigen Pentameter wird ergänzt durch den 20-köpfigen Chor der Okeaniden, mit dem typisch Orffschen, repetierenden Gesangsstil.

Beachtlich sind die Gesangssolisten Dale Duesing als Okeanos und Tomas Möwes als Kratos. Der Bariton Wolfgang Newerla bewältigt die Mammutpartie des ontologisch in die Zukunft vorstoßenden Prometheus bravourös, trefflich im Sprachduktus der von Orff durch differenzierte Haltungen aufgefächerten Sprechweise, insbesondere in seiner Ironie.

Brigitte Pinter beweist ihren Vorgängerinnen in der mehr als zwei Oktaven umfassenden Partie der Io, dass sich die Rolle der von Hera mit Hörnern gestraften Geliebten des Zeus, die ziellos klagend durch die Welt irren muss, neben Geschrei, Geheul und Flüstern auch mit Schöngesang ausstatten lässt.

Das durchwegs mehr musikalisch denn szenisch beglückende Ereignis wurde auch nach der zweiten Aufführung vom Publikum einhellig gefeiert.