Ganz schön widerspenstig
Es ist ein Kreuz mit diesen Theaterleuten. Die meisten sind furchtbar eitel, einer mehr Pfau als der andere. Und eifersüchtig sind sie. Beziehungskisten stehen immer irgendwie auf der Kippe, Ehen gehen kaputt – wofür Fred und Lilli ein „leuchtendes“ Beispiel abgeben. Im Ford-Theater, dieser kunterbunten Reisetruppe, geben sie Shakespeares Der Widerspenstigen Zähmung, im echten Leben sind sie geschiedene Leute.
Oder doch nicht? Das stellt sich erst am Ende heraus, wenn sich der Vorhang senkt nach Cole Porters Kiss me, Kate. Bis dahin ist jede Menge los: sowohl auf der Bühne des Ford-Theaters als auch im Backstage-Bereich, da wo diese ganzen Schauspieler, Tänzer, Bühnenarbeiter und anderen wichtigen Leute aufeinandertreffen. Das pralle Leben halt... Regisseur Peter Rein ist ganz und gar ein Meisterstück perfekter Musicalunterhaltung gelungen, eine Inszenierung, die vor Lebendigkeit nur so sprüht und glüht, die mit einer fingerspitzengefühligen Komik arbeitet, die wohldosiert übertreibt. Das vor Spiel- und Singlaune geradezu überbordende Ensemble zieht da voll mit. Bodo Demelius steckt die Shakespeare-Kompanie in völlig angeschrägte und damit modernisierte Renaissance-Kostüme, die für sich schon eine wahre Augenweide sind; das Detmolder Ballett verwandelt er in Commedia dell’arte-Figuren. Sie kommentieren die Handlung und fassen die einzelnen Szenen vorweg pantomimisch zusammen.
Hinter den Bühnenbrettern ist das Personal eines aus dem Jahr 2013. Auf einer Bühne, die mit wenigen Mitteln auskommt: ein paar rollbaren Containern verschiedener Größe, die flugs auch schon mal eine Art Showtreppe bilden, einem Kleiderständer für Kostüme, einem angedeuteten Bühnenportal mit Glitzervorhang, wechseln die Szenen scheinbar ganz von selbst. Die richtige Umgebung für das uralte Spiel um das Verhältnis der Geschlechter, das Cole Porter so fantastisch in mitreißende Melodien und Samuel und Bella Spewack in sprühende Dialoge gekleidet haben.
Und die Detmolder Akteure setzen das ganz brillant um: Angefangen vom unheimlich spielfreudigen Opernchor sind auch alle kleineren Rollen toll besetzt. Allen merkt man den Spaß an der Sache an.: Brigitte Bauma als Garderobiere Hattie, die das Premierenfieber herrlich besingt, Markus Gruber als Hortensio und Tom Schimon als Gremio und Inspizient, die auch noch tänzerische Qualitäten beweisen. Eine gute Figur macht Wolfgang von der Burg als sehr amerikanischer General. Das i-Tüpfelchen dieser Inszenierung sind sicher der hanseatische Ganove Manfred Ohnoutka und sein etwas unbeholfener Kumpel, den Kevin Dickmann klasse spielt.
Das gilt auch für Patrick Adrian Stamme als scheinbar so coolem Bill Calhoun, der am Ende dann doch ganz lammfromm am Haken seiner Lois hängt. Die wird gespielt von Peti van der Velde - eine wirkliche Entdeckung an diesem Abend! Ihrer wunderbaren, kräftigen Stimme liegt die Musik Porters ganz besonders. Von ihr möchte man mehr hören, denn da swingt es gewaltig.
Und dann Andreas Jören, der ein ganz wunderbarer Fred ist, toll singt und auch schauspielerisch den unerschütterlichen Glauben transportiert, alles im Griff zu haben. Das ist dann am Ende doch seine Lilli: Silke Dubilier zeigt perfekt wie’s geht: Gelingt es nicht durch Lautstärke und Streit die Oberhand zu behalten, dann eben durch vorgespielte Sanftmut. Und am Ende liegt ihr der Mann zu Füßen.
In dieser Detmolder Inszenierung stimmt schlichtweg alles, und das von Anfang bis Ende. Zum Gelingen trägt das Detmolder Ballett einen guten Teil bei. Richard Lowe entwickelt sehr ansprechende Choreografien. Besonders das Too Darn Hot – ganz klasse interpretiert von Lemuel Pitts – ist ein Hingucker und einer der vielen Höhepunkte. Und die Detmolder Symphoniker? Die erweisen sich unter Mathias Mönius als bestens eingespieltes Swing-Orchester, das den einmaligen Sound Cole Porters aufblühen lässt. Perfekte Unterhaltung macht immer gute Laune – Kiss me, Kate in Detmold lohnt sich sehr!