Eine Komödie ohne Tiefgang
Lästig ist sie, diese Großherzogin. Mischt sich ständig ein ins Regieren, stiftet andauernd Verwirrung und tut Dinge, von denen sie keine Ahnung hat. Nicht gut fürs Herzogtum Gerolstein – meinen zumindest Graf Puck und General Bumm, ein Duo, das gern alle Fäden der Macht in den eigenen Händen hielte. Nur: so einfach geht das nicht. Weil die Großherzogin ihnen einen frischgebackenen General vor die Nasen setzt, der eben erst noch gewöhnlicher Schütze war. Einer, nach dem sie, die an gravierendem Lust-Defizit Leidende, sich den Kopf verdreht.
Jacques Offenbachs Operette Die Großherzogin von Gerolstein ist eine Mischung aus amourösen Abenteuern (geglückten und gescheiterten), dem Hunger Einzelner nach Macht, der Lächerlichkeit einer Soldatentruppe, bemitleidenswert dümmlichen Geschöpfen und, und, und. Zur Zeit der Uraufführung 1867 wirkte Offenbachs Satire, als würde eine ganze Epoche dem Gespött der breiten Masse ausgeliefert. Davon ist Regisseur Roman Hovenbitzer jedoch weit, sehr weit entfernt. Im Grunde erzählt er eine Geschichte mit vielen putzig anzuschauenden Ingredienzien und manchen Übertreibungen, die aber weistestgehend zusammenhangslos dastehen und ins Leere laufen. So bekommt der Abend manch unschöne Länge. Einen tieferen Sinn oder mögliche Analogien zur Gegenwart lässt Hovenbitzer in seiner Auseinandersetzung mit dem Stoff nicht erkennen. Im Ergebnis wirkt die Aneinanderreihung all der bisweilen durchaus komischen Szenen deshalb etwas belanglos. Die werden allesamt aber gut über die Bühne gebracht. Rainer Zaun als brutalstmöglicher General Bumm ist in seiner maulheldenhaften Art einfach fantastisch; Andreas Lettowsky als Möchtegern-Staatsmann Graf Puck findet mit instinkthafter Sicherheit die richtigen Gesten; Richard van Gemert als leicht debiler Prinz Paul spielt sein komödiantisches Talent grandios aus und fühlt sich, wie alle seine Kolleginnen und Kollegen an diesem Premierenabend, pudelwohl in seiner Rolle als dummes Jungchen. Auch Dagmar Hesse ist schauspielerisch ganz großartig: weil sie ihren Liebeshunger nicht anders stillen kann, macht sie’s schon mal mit dem altehrwürdigen Familien-Degen. Ansonsten weiß sie, was sie will: Fritz. Und wen sie nicht will: Prinz Paul. Fritz, den einfachen Soldaten, gibt Jeffery Krueger, sängerisch allerdings nur bis zum Ende des ersten Aktes. Danach macht ihm sein grippaler Infekt zu schaffen und er spielt, während „Double“ William Saetre weitersingt – leider akustisch unbefriedigend aus dem Orchestergraben. Grober Schnitzer: Krueger verzichtet darauf, wie sonst eigentlich immer üblich stumm den Gesangstext mit seinen Lippen nachzuahmen. Das stört den optischen Eindruck empfindlich. Schade. Tanja Schun ist als puppenhaftes Mädchen und Fritzens Braut ohn’ Fehl und Tadel. Das kann man nur eingeschränkt vom Philharmonischen Orchester sagen, das doch etliche Male patzt. Steffen Müller-Gabriel bleibt der Musik einiges an Präzision, auch an Strahlkraft schuldig. Und es ist immer und immer wieder die Koordination von Bühne und Orchestergraben, die bedrohlich auseinander fällt.
Nach dem ziemlich langen ersten Teil bleiben einige Plätze im Theater leer, doch der Schlussapplaus gerät sehr freundlich für alle Beteiligten.