Übrigens …

Il Trovatore im Dortmund, Oper

Der Krieg macht aus Menschen Bestien

Schaurig, schön, grauenvoll, Unsinn, blutiges Märchen, haarsträubend, Sternstunde für die Oper! So unterschiedlich fallen – auch heute noch – die Urteile von durchaus wohlgesonnenen Musikfreunden über Il Trovatore (Rom, 1853) aus. Im Verdi-Jahr steht sie vermutlich öfter im Fokus als sonst. Die 25 Opern des Italieners lohnen durchaus auch beim scheinbar „Nebensächlichen“. Gerade der „mittlere Verdi“ hat große, tragische, tief romantische und (kombiniert) veristische Musik geschrieben – und davon kommt bei dem Trovatore viel über die Rampe. So auch in Dortmund, wo jetzt Hausregisseurin Katharina Thoma den Reißer in kargen, düsteren, den permanenten Kriegsschauplatz fordernden „Beton-Bildern“ (Julia Müer) kühl und fahl als starke und von der ersten Note an ausweglose Tragödie inszenierte.

Die Schlacht, das Gemetzel, der Krieg macht aus Menschen Bestien, Monster. Das könnte als Motto über dieser Produktion stehen. Jeder kämpft gegen jeden, fast jedes Mittel ist recht, wenn es zum eigenen Erfolg verhilft, Charaktere werden auf dem Schachfeld des Schreckens hin- und hergeschoben – das Individuum und dessen Glück bleiben auf der Strecke. Alles läuft von Beginn an auf den finalen Horror hin – erst im Tod erkennen sich Manrico und Luna als Brüder, die beiden Frauen Leonora und Azucena dienen als Medium für diese gruselige Ausweglosigkeit einer familiär verstrickten Männerfeindschaft. Die Soldateska kommt nicht als historische Figuren daher, sondern Thoma rückt die rücksichtslose Gesellschaft an unsere Gegenwart heran. Da bleibt natürlich eine Zigeuner-Magierin wie Azucena eine spezifische Außenseiterin.

Dortmunds 1. Kapellmeister Lancelot Fuhry verharrt dagegen im romantischen Terrain. Er analysiert nicht oder horcht auf erschreckend „neue“ Töne in der grandiosen Verdi-Partitur. Sein Credo: In den Noten ist alles versammelt, was die Oper des 19. Jahrhunderts braucht – Kraft, Furor, Romantik, eine böse Geschichte zwischen überwiegend bösen Menschen, entlarvende Intrigen, Typen, die sich in ihren Ideen verrennen und ihre ursprünglichen Ideale verraten. Die Dortmund Philharmoniker scheuen sich nicht, diesen knalligen Verismus aus dem Graben in den (nicht voll besetzten) Theaterraum zu schicken. Vor allem die düsteren Farben gelingen vorzüglich und schaffen ein musikalisches Fundament für das anhaltend grummelige Unwohlsein für das handelnde Personal auf der Szene.

Fuhry darf sich über vier exzellent singende (und meistens auch auf diesem Niveau spielende) Solisten freuen, die neben dem Orchester die Qualität dieser Aufführung garantieren. Die Solisten werden vom Orchesterklang getragen und gefördert. Und der Dortmunder Opernchor reiht sich in diese vokale Phalanx mühelos und mit stattlichem Volumen (Personal und Gesamteindruck) ein. Er sorgt – wie das Orchester -  für das fiebrige Ungefähre aller bedrohlichen Situationen in den Trovatore-Szenen.

Sangmin Lee als Graf Luna: ein Rasender, der aber in diesem Hass-Szenario längst vereinsamt ist. Er ist ein von der Liebe (zu Leonora) abgrundtief Enttäuschter. Der Bariton setzt schöne Farben ein – eingedunkelt, kraftvoll oder auch schneidend. Je nach Emotion. Hermine May als Azucena: eine Tragödin des Schicksals, die von der Rache getrieben wird. Sie hat große Momente, die ihr auch von der Regie zugestanden werden. Stefano La Colla als Manrico: eine gebrochene, unheldische Figur, die dies auch stimmlich vermitteln kann. Ein strahlender Pavarotti-Typ ist er nun wirklich nicht… Susanne Braunsteffer als Leonora: ein jugendlich geführter, lyrisch beseelter Sopran. Unselig leidet dieser Charakter an der brisanten Zuspitzung der dramatischen Handlung. Wen Wei Zhang schließlich als Ferrando: ein vielleicht manchmal zu belkantistisch auftretender Militär, der jedoch den realistischen Fatalismus seiner Rolle von Beginn an begreift. Dortmunds Ensemble kann jedenfalls punkten!