Mord aus rasender Eifersucht
Giuseppe Verdi ist ein Meister, der es rundum überzeugend versteht, Gefühls- und Gemengelagen in durch und durch sprechende Musik zu kleiden, auch und gerade in Un ballo in maschera. Da ist der milde Graf Riccardo, ein eitler Potentat, der gar nicht glauben kann, dass hinter seinem Rücken eine Verschwörung geplant wird. Da ist die obskure Welt der Wahrsagerin Ulrica, mysteriös und irgendwie unheimlich – und sie sagt Riccardos baldigen Tod voraus. Dann spielt eine wichtige Szene auf dem Totenacker. Hier sucht Amelia nach dem Kraut, das ihr helfen soll, ihre eigentlich unmögliche Liebe zum Grafen zu vergessen. Später Amelias Bitte, ihren Sohn noch einmal sehen zu dürfen; dann der Maskenball mit hübsch abgezirkeltem Menuett – all dies sind emotional hoch aufgeladene Situationen, zu denen Verdi eine ebenso emotionale Musik erfindet. Musik voller Leidenschaft, Verzweiflung, Dramatik.
Regisseur Johannes Weigand verzichtet in seiner Inszenierung auf Politisches, stellt einzig und allein die menschliche(n) Tragödie(n) ins Zentrum seiner Inszenierung. Dazu liefert Moritz Nitsche mit seiner kargen, nüchternen Bühne eine durchaus passende Kulisse. Nach hinten ansteigende Stufen für den gräflichen Palast, Nebel und diffuses Licht für Ulricas Wahrsage-Session, ein Sekretär-Möbel, zwei Stühle und eine (schwarz gestrichene) Babywiege als Domizil der Eheleute Renato und Amelia. Ein minimalistischer Ansatz, mitunter mit kleinen, netten Details wie dem Totenschädel auf des Grafen Schreibtisch im dritten Akt. Dass diese Inszenierung dennoch nicht lebt, die Dramatik des Stoffes nicht auch optisch transportiert, liegt an der statischen Personenführung. Verdis teils unerträglich beklemmende Steigerung von Emotionen findet bei Weigand keine szenische Entsprechung.
Florian Frannek am Pult des Sinfonieorchesters Wuppertal spürt den Stimmungen der Partitur sehr differenziert nach, bringt die Holzbläser zum Blühen, sorgt für samtigen Streicherglanz, könnte das Ganze aber noch plastischer, schärfer akzentuiert und in extremen Momenten noch drastischer gestalten.
Kay Stiefermann (Renato) liefert in dieser Inszenierung die wohl stärkste Charakterzeichnung als bester Freund des Grafen Riccardo, der sich in dessen Mörder verwandelt. Eine durch alle Lagen hindurch ebenmäßige und überaus kultivierte Stimme, raumgreifend, unfehlbar in der Intonation, darstellerisch grandios. Felipe Rojas Velozo leidet am Premierenabend an einem Husten, singt aber dennoch ganz ausgezeichnet, von kleinen Rauheiten abgesehen. Sein Tenor ist nicht unbedingt strahlend hell, aber kernig und in der Höhe absolut stabil. Melba Ramos singt die Amelia – und bekommt schon im 2. Akt für ihr „Ecco l’orrido campo“ rauschenden Szenenapplaus. Dann ihr „Morrò, ma prima in grazia“, die Bitte an ihren Gatten, ihren Sohn noch einmal sehen zu dürfen: ein zutiefst berührender Moment! Zdravka Ambric fühlt sich ein in das Gruselige der Ulrica – mit erdenschwerem Mezzo. Das genaue Gegenteil verkörpert Elena Fink als Page Oscar mit beweglichem, prägnantem, in der Höhe hin und wieder etwas angerautem Sopran. Olaf Haye ist grundsolide der Verschwörer Samuel; Martin Js. Ohu, seit dieser Spielzeit festes Ensemblemitglied in Wuppertal, lässt aufhorchen. Sein klangvoller, runder Bass passt perfekt zu seiner Rolle als Tom: finster und böse klingt es da.
Wuppertals Premierenpublikum ist begeistert. Es feiert Kay Stiefermann und Melba Ramos, auch das Orchester. Das Regieteam darf sich ebenso über herzlichen Applaus freuen.