Übrigens …

Eine florentinische Tragödie/Der Zwerg im Duesseldorf Oper

Rätselhaftes - Grauenhaftes

Einen ganz gegensätzlichen Eindruck hinterlassen Alexander von Zemlinskys Einakter Eine florentinische Tragödie und Der Zwerg in der Düsseldorfer Rheinoper.

Zunächst setzt Barbara Klimo die Florentinische Tragödie in Szene und gibt dem Eifersuchtsdrama einen ganz vielversprechenden Rahmen. Zu Beginn auf der Bühne: ein paar zum Publikum gewandte Reihen Kinosessel, auf denen Leute Platz nehmen, die, kaum hat der Film begonnen, ziemlich bald miteinander auf ganz unterschiedliche Art und Weise kommunizieren. Da ist das Liebespaar, das sich plötzlich mit ganz anderen Partnern in mehr oder weniger intimen Situationen wiederfindet, oder die Eheleute, deren Beziehung offensichtlich nicht mehr taufrisch ist und die dann als Personen plötzlich in die Filmhandlung quasi hineingezogen werden.

Dort, in diesem Film (die Kinosessel werden in die Hinterbühne zurückgefahren) führt ein Harlekin Regie, der Drehbücher und Kostüme verteilt – darunter auch lustige bunte Hüte. Milchglaskuben schweben von innen beleuchtet von der Decke, die Akteure werden zu eifrigem Pantomimespiel animiert, Zeichen werden filmisch eingeblendet, es gibt kannibalistische Momente, Pfeifen mit blubbernden Seifenblasen werden geraucht. Doch ohne Gebrauchsanweisung sieht man diesem ganzen Geschehen auf der Bühne eher ratlos zu.

Barbara Klimo und ihr Team bestehend aus Veronika Stemberger (Bühne) und Frank Bloching (Kostüme) tun einfach zuviel. Sie haben wahrscheinlich alles an Aktionen bis ins Kleinste durchdacht und ausgearbeitet, können ihre interpretatorische Sicht aber nicht wirklich transportieren. Das ist schade, denn es gibt wirklich schöne Momente in dieser Inszenierung. Neben dem Beginn vor allem auch das Ende. Dass beim tödlichen Zwei–beziehungsweise Dreikampf längst nicht mehr klar ist, wer wem den Tod wünscht, verdeutlicht Klimo in einer ganz wunderbar ruhigen Szene mit sparsamer Gestik. Doch der Sinn des Ganzen will sich nicht erschließen.

Corby Welch ist ein hochnäsiger, adeliger Schnösel, der glaubt, dem bürgerlichen Händler Simone in allen Belangen überlegen zu sein. Janja Vuletic ist eine stimmstarke Bianca, Simones Ehefrau, die sich aber von Testosteronschüben erst des einen, dann des anderen Mannes beeindrucken lässt. Den Simone singt Anooshah Golesorkhi mit viel Kraft, aber leider wenig textverständlich.

 

Der Zwerg hob sich schon durch das eher üppige Bühnenbild von der Florentinischen Tragödie ab. Nicola Reichert baut die große Halle eines Schlosses mit leicht sakralem Einschlag – die richtige Umgebung für „ein tragisches Märchen“. Im Mittelpunkt steht eine Art überdimensionale Frisierkommode mit Spiegel. Sie ist hier zugleich der Thron der Infantin und in ihrer Größe Bedrohung für das Schicksal des missgestalteten Zwerges.

Immo Karaman schafft eindringliche Bilder, bedrängend und einfühlsam, poetisch und voller unterdrückter Gewalt. Wie er den Damenchor, der wie die Prinzessin und ihre Zofe Ghita in englischen Schulmädchenuniformen steckt, geradezu für den Zwerg gefährlich werdend über die Bühne verteilt und dann wie Erinnyen näher kommen lässt, ist einfach klasse. Das gilt auch für die feine Verwendung der Geschenkkartons als szenisches Mittel. Und dass die scheinbare Annäherung von Zwerg und Prinzessin auf großer, offener Bühne sich ganz intim gestaltet, dient der Wirkung des Zwerges ungeheuer. Warum allerdings der Zwerg als Priester (erst mit Halskrause, dann mit Römerkragen) daherkommt, bleibt bis zum Ende ein großes Rätsel.

Raymond Very in der Titelrolle gibt dem Zwerg mit seinem wandlungsfähigen Tenor große expressive Kraft. Vom strahlenden, selbstbewussten Balladensänger zur geschlagenen Kreatur – Very erschafft alle Facetten des Charakters. Sylvia Hamvasi als Infantin ist das letztlich ziemlich brutale, leichtfertige Mädchen, darstellerisch rundweg überzeugend und stimmlich perfekt. Fein gestaltet Anke Krabbe die Partie der Ghita. Mit ganz großer Selbstverständlichkeit drückt sie Mitleid und das Zurückschrecken vor Grausamkeit aus.

Stefan Heidemann als Haushofmeister singt mit sicherem Bass in einer Art Mrs.-Doubtfire-Kostüm. Die kleineren Rollen sind mit Elisabeth Selle, Alma Sadé, Iryna Vakula, Jessica Stavros und Luiza Fatyol ausgezeichnet besetzt.

Eine wahre Ohrenweide ist der grandios singende und agierende Damenchor von Christoph Kurig.

Am Pult der Düsseldorfer Symphoniker steht Jonathan Darlington, bis vor kurzem noch Chef der Duisburger Philharmoniker und deshalb (Opernehe Duisburg/Düsseldorf) mit den akustischen Bedingungen des Opernhauses vertraut. Oder doch nicht? Das Orchester klingt mitunter sehr knallig, vor allem im Zwerg – etwas zum Nachteil der Sängerinnen und Sänger. Gleichwohl: Darlington bleibt den Partituren nichts an Saft und Kraft, an großem Überschwang, aber auch an Raffinesse im Kleinen schuldig. Das Tutti dynamisch etwas herunterfahren – und Zemlinsky ist perfekt auch hier in Düsseldorf.