Kurz und gut
Offenbachs erfolgreichste Operette für Kinder ab 8. Nur eine Stunde lang. Und im klitzekleinen Alten Pfandhaus mit seiner Handvoll Quadratmeter Bühne. Kann das funktionieren?
Die Ausstatterin Elisabeth Vogetseder hat sich für die größtmögliche Show entschieden. Spielort ist ein staniolpapierfarben glänzender Laufsteg. Überall hängen so mächtige wie elegante pink-purpurne seidige Stoffbahnen und der Götterhimmel ist eine gewaltige Sofaecke. Orpheus ist ein schlampiges, ungewaschen aussehendes Genie, von dem man gar nicht versteht, wie er an seine Eurydike gekommen ist, diese kapriziöse Möchtegernprinzessin, der es der extravagant gekleidete Pluto angetan hat. Die Exposition ist also reiner Offenbach. Danach geht es auf die dramatische Rutschbahn schöner Einzelheiten. Handlungselemente wie Jupiters Promiskuität werden nur soweit wie unbedingt notwendig gestreift und selbst Hans Styx darf nur eine einzige Strophe seines berühmten Couplets singen. Dafür wird klar erzählt. Bis auf das eine oder andere Detail verstehen die jungen Leute alles und am Schluss gibt es eine Pointe: Eurydike wird nicht Bacchantin, sondern bekommt von der Öffentlichen Meinung („ich bring dich ganz groß raus!“) eine Fernsehshowmoderation vermittelt. Regisseurin Elena Tzavara sorgt für Tempo, Präzision und Farbigkeit. Ihre Dialogfassung rafft geschickt und enthält viele, kleine, zündende Gags.
Die kleine Kapelle unter Rainer Mühlbach beherrscht ihren Offenbach blendend. Es swingt und knallt, dass es nur so eine Art ist. Das hervorragende Ensemble entwickelt besondere Stärken in der von klassischen Sängern eigentlich eher ungeliebten Disziplin des Dialogsprechens, besticht durch Charme und Timing. Das verwundert durchaus, denn es sind kaum Muttersprachler dabei.
Juraj Holly ist ein ganz und gar überzeugender Orpheus, so leidenschaftlich wie verwahrlost, mit kräftigem, schön auf Linie gehaltenem Tenor, Erika Simons seine charmante, lebenshungrige und durchaus zickige Eurydike mit schönem Sopranmaterial und lebensfrohen Koloraturen. Den Nebenbuhler Pluto gibt Leonard Bernad bassgewaltig mit witzigen Grimassen in Mimik und Textarbeit. Als Jupiter überzeugt der oft in seinen Bart verwickelte Lucas Singer, auch und besonders als modisch gestylte Fliege. Marcelo de Souza Felix und Marta Wryk servieren ihre kurzen Einlagen mit Musikalität und viel Esprit. Den Hans Styx spielt Werner Sindemann, das Ur-ur-urgestein der Kölner Oper mit trockenem Witz und umwerfender Bühnenpräsenz. Fast alle Handlungsimpulse gehen von der Öffentlichen Meinung aus, die der Schirmherr der Kinderoper, der bekannte Kinderfernsehmoderator Ralph Caspers mit schön verschwurbeltem Esprit, aber überraschend zaghaft gibt.
Fazit: gelungen. Denn in sich ist die Aufführung schlüssig und die Kinder mögen es. Obwohl der Raum für eine „anständige“ Can-Can-Choreographie viel zu klein ist, obwohl es dem Liebhaber des Stückes an Schärfe, an satirischen Seitenhieben fehlt und das eine oder andere geliebte musikalische Nümmerchen der Schere zum Opfer gefallen ist. Aber man kann ja auch mal wieder eine CD hören.