Drama und Komödie
Wünsche, Träume, Illusionen – sie spielen für alle Protagonisten in Giacomo Puccinis Il Trittico eine entscheidende Rolle. Sehnsüchte, von denen auf eigentümliche Weise ganz schnell, nachdem sich der Vorhang öffnet, klar wird, dass sie wohl nie eine Chance auf Erfüllung im echten Leben bekommen. Nicht für Giorgetta, die in den Hafenarbeiter Luigi verliebt ist und damit ihren Mann eifersüchtig macht; nicht für die Ordensschwester Angelica, die die erzwungene Trennung von ihrem unehelichen Sohn zu verkraften versucht; und in gewisser Weise auch nicht für die versammelte Verwandtschaft, die sich ums Bett des todkranken Buoso herum drappiert und darauf wartet, sich endlich auf dessen beträchtliches Erbe stürzen zu können.
Il tabarro, Suor Angelica, Gianni Schicchi – für alle drei Geschichten, die unterschiedlicher gar nicht sein können, finden Regisseur Ernö Weil und Ausstatterin Petra Mollérus rundherum überzeugende Interpretationen. Da ist der Hafen mit Micheles Schleppkahn, auf dem man förmlich den Schweiß der Arbeit riecht. Wie schön war es dagegen damals in Belleville, dem Vorort von Paris, von dem Giorgetta träumt! Sie wird ihn nie wiedersehen, weil ihr Mann zum Mörder wird: dieser schnürt erst seinem Nebenbuhler Luigi die Kehle zu, dann, wie im Affekt, tötet er seine Frau. Vorhang.
Für die Welt des Klosters entwirft das Regieteam eine kühle, nüchterne Architektur, eine ganz unsinnliche Atmosphäre, in der es gilt, sich auf nichts anderes als den lieben Gott zu konzentrieren. Gelegentliche Abwechslungen wie Obst, Wein und Blumen für den ganzen Konvent gibt es höchst selten einmal. Wie gegensätzlich wirkt da die gediegene, ja gebieterische und luxuriöse äußere Erscheinung der schwer reichen Fürstin, von der Schwester Angelica zum Verzicht auf ihr Erbe genötigt wird! Als „Dank“ dafür kommt die Nachricht, Angelicas Sohn sei schon seit zwei Jahren tot. Selbstmordgedanken aus letzter Ausweg? Ja! Angelicas Vision vom Sterben wird ihr zum Glück und bedeutet das Einssein mit ihrem Kind. Die Regie kommt dabei ganz ohne jeden Kitsch aus.
Ungezügelten Humor lässt Ernö Weil in Gianni Schicchi versprühen, wobei jedem im Publikum schnell klar ist, wie sehr die Bühne zum Spiegel des wirklichen Lebens wird: wenn’s ordentlich was zu holen gibt, fallen alle moralischen Konventionen wie in ein tiefes Loch. Aber Habgier rächt sich in Puccinis brillanter Komödie bitter. Am Ende schanzt Schicchi sich die Filetstücke des Erbes selber zu und alle anderen sind die Gefoppten.
Das Ensemble des Landestheaters macht eine ausnehmend gute Figur in allen drei Einaktern. Da gibt es nirgends Schwächen oder Ausfälle. James Tolksdorf ist ein finsterer, frustrierter Michele mit kernigem Bariton, sein Kollege Andreas Jören spielt mit allergrößtem Vergnügen und viel hintersinnigem Witz den Gianni Schicchi; die anspruchsvollen Rollen als Giorgetta und Suor Angelica meistert Marianne Kienbaum-Nasrawi schlichtweg beeindruckend, äußerst intensiv und mit glaubwürdiger Geste. Ihre große Meditation über die Pariser Seine (Il tabarro) gehört ebenso zu den Höhepunkten wie die hochdramatisch aufgeladene Erkenntnis ewiger Verdammnis wegen ihres Freitods (Suor Angelica). Gritt Gnauck, seit dieser Spielzeit neu im Detmolder Ensemble, empfiehlt sich als raumgreifender Mezzo von kräftiger stimmlicher Statur. Über die verfügt auch Daniel Magdal, der dem Luigi (Il tabarro) ausgesprochen italienische Farbe verleiht. Die vielen kleineren und kleinen Rollen sind perfekt besetzt, nicht zuletzt trumpft der von Marbod Kaiser einstudierte Opern- und Extrachor mit enormer Bühnenpräsenz auf.
Und das Symphonische Orchester des Landestheaters? An dessen Pult steht Lutz Rademacher, seit Beginn dieser Spielzeit GMD des Landestheaters. Er schafft einen äußerst gepflegten, runden Puccini-Klang, ohne ihn übermäßig aufzudrehen. Die akustischen Verhältnisse im relativ kleinen Detmolder Theater scheint Rademacher also schon sehr gut zu kennen.