Übrigens …

Il Trovatore im Theater Münster

Große Musik

Verdis Trovatore ist und bleibt ein leicht krudes Stück, was vornehmlich am Libretto liegt. Darüber beklagt man sich ja im Grunde schon seit 1853, seit der Uraufführung dieser Opern-Geschichte rund um zwei Kinder, von denen eines auf dem Scheiterhaufen landet, zusammen mit einer Zigeunerin, die man als Hexe identifiziert hat. Der Ausgang des Dramas ist bekannt: Manrico, der Titelheld, stellt sich als Bruder dessen heraus, der als Graf Luna zum ärgsten Feind Manricos geworden ist, als Bruder, den Luna längst tot geglaubt hat – obgleich einst ein ganz anderes Kind in den Flammen starb, nicht Manrico (sondern das der Zigeunerin...).

So viel zur dramatischen Seite. Für die Liebesgeschichte gibt es Leonora, eine Hofdame, die Manrico liebt, auf die es aber auch Graf Luna abgesehen hat. Bekommen tut sie keiner von beiden: Leonora vergiftet sich, außerdem kommt auch Manrico zu Tode. Stoff für einen spannenden, aufregenden und rührenden Opernabend also. Den liefert Regisseur Georg Rootering aber nur bedingt. In Erinnerung bleiben gewiss die Kostüme von Götz Lanzelot Fischer, auch wenn sie eigentlich ganz konventionell wirken: viel Leder wird getragen, lange Mäntel gibt’s, höfische Kleider, Soldaten in Uniform. Und eine Bühne, die das zeitlich Unspezifische unterstützt: Bernd Franke arbeitet mit Säulen und Wänden, einen mit Holz verschalten Beton simulierend. Dies Material wird unterschiedlich angeordnet und bietet neutrale Spielflächen für Rooterings Regie, die Verdis Stück nicht interpretiert sondern „nur“ bebildert. Leider greift er oft in die Klamottenkiste: Altbackene, hölzerne Bewegungen und abgegriffene Gestik überwiegen. Oft hat man den Eindruck, der Regisseur überließe seine Protagonisten sich selbt. Das ist alles nicht dazu angetan, Figuren auszuloten und miteinander in Beziehung zu setzen.

Die Musik entschädigt aber für alles, was dem Szenischen fehlt. Da ist das Sinfonieorchester Münster mit seinem grundwarmen Klang, rund und ebenmäßig, mit schönen Soli, gepflegter Pianokultur und nie überzogenen Fortissimi. Fabrizio Ventura koordiniert Orchestergraben und Bühnengeschehen perfekt, lässt dabei den Sängerinnen und Sängern größtmögliche Freiheit. Und da wackelt trotzdem nichts!

Dann das Ensemble: von einer Qualität, wie man sie sich an diesem Haus schon vor Jahren gewünscht, aber längst nicht immer bekommen hat. Stimmen, die gut zueinander passen, von denen keine wie auch immer „herausfällt“. Adrian Xhema singt den Trovatore optimal. Sein völlig intakter Tenor ist ganz auf Verdi gepolt, er glänzt und strotzt vor Kraft und Kondition, und dies längst nicht erst im „Di quella pira“. Genauso gut liegt ihm das Kantable, Expressive wie im „Ah! Sì, ben mio“. Die Zigeunerin Azucena singt Rossana Rinaldi, stattet die Figur mit Selbstbewusstsein aus, mit dem glimmenden Funken von Rache, die sie einst ihrer Mutter geschworen hat. Rinaldi verfügt über einen in der Tiefe wie in der Höhe gleichermaßen gut ausgebauten, schön timbrierten und intensiven Mezzo und beglaubigt das schwere Schicksal der Azucena auch durch ihr Spiel auf der Bühne. Gregor Dalal ist der Graf Luna, einer, dem es darum geht, Leonora zu besitzen. Kühl, egoistisch, knallhart. Dalal mobilisiert dazu seinen markigen und starken Bass, der, von ganz wenigen kleinen verunglückten Tönen abgesehen, vor allem im zweiten Teil imponiert. Und Leonora? Da präsentiert sich das neueste Mitglied im münsterschen Opernensemble: Sara Daldoss Rossi. Und wie sie sich präsentiert!! Als durch und durch glaubwürdige Frau, die Manrico ehrlich liebt und für dessen Freiheit sie sich letztlich selbstlos opfert. Sara Daldoss Rossis Sopran ist quicklebendig, setzt jeden Ton mit äußerster Akkuratesse und intonationsmäßig absoluter Perfektion, kann ebenso berauscht jubeln wie herzzerreißend schluchzen. Unglaublich, mit welcher Grandezza sie vor allem den vierten Teil des Trovatore schultert, dort, wo sie ständig gefordert ist: in „D’amor sull’ali rosee“ (mit wunderbarem angefülltem Pianissimo, das in dramatische Koloraturen übergeht), dann anschließend im „Di te, di te“ und dem „Mira, di acerbe lagrime“ bis hin zur großen Final-Szene, bei der sie auf Manrico trifft. Über Rossi, so hörte man aus dem Theater Münster, sei man sehr glücklich. Das wundert kaum, denn sie ist eine echte Bereicherung des Ensembles und wird in Zukunft gewiss noch für Überraschungen angenehmster Art sorgen.

Nicht unerwähnt sollen auch die kleineren Rollen bleiben. Sie alle sind gediegen besetzt. Mit Lukas Schmid als Ferrando, mit Ana Kirova als Leonoras Vertraute Ines, mit Enrique Bernardo, Frank Göbel und Jaean Koo als Ruiz, Zigeuner und Bote. Schließlich macht auch der von Inna Batyuk einstudierte Chor nebst Extrachor eine gute Figur, singt und spielt grundsolide.