Auf dem Berg
Die großen alten Geschichten haben von ihrer Kraft und Faszination nichts verloren. Wenn man sie erzählen kann. Und, vor allem, wenn man sich dazu traut.
In Wuppertal geht das Theater dafür vor die Tür. Halb gezwungen - das Schauspielhaus ist ja endgültig zu, die neue Kammerspielstätte noch nicht nutzbar -, vor allem aber mit heißem Herzen. Raus zum Publikum. Opern will man spielen in Schulen und Kirchen, in Firmen und Fabrikhallen. Den Anfang macht das Carl-Fuhlrott-Gymnasium, weit hinter der Uni auf dem Hahnenberg.
Gespielt wird Dimitri Terzakis‘ 2011 uraufgeführtes Musiktheater für einen Sprecher, eine Sängerin und sechs Instrumente. Die Aufführung findet in der ungeschmückten Aula statt. Vier Scheinwerfer, vier Glühbirnen, drei Podeste. In der Mitte die Musiker. Dorothea Brandt vokalisiert, singt, spricht, ist ganz da, als große Mutter, starke Schwester und schönes Mädchen, bewegt sich federleicht und unnachgiebig entschlossen, wechselt oft die Kleider, spielt alle Frauen und die Göttin. Und Gregor Henze erzählt. Im schwarzen Mantel mit gleichem Gesicht, atemlos mit langem Atem. Er spricht im hohen Ton, lässt ihn in knappe, witzige Gestik kippen, findet ihn mühelos wieder, rennt im Kreis und kommt doch an. Im Hintergrund wunderschöne, 150 Jahre alte, bunte Laterna-Magica-Bilder als Bildbrücke von Mythos und Epos in die erodierende bürgerliche Gesellschaft.
Dazu die Musik, byzantinisch alt klingend, mit Kirchentonarten und klein gehäckselter Harmonik neu irritierend. Sinnlicher Genuss und – auch hier – bewusste Erzählung. Und frische Effekte. Da singen die Sirenen nicht Sopran, sondern Geige.
Das alles ist staunenswert einfach und ungeheuer kraftvoll. Und dabei doch ein bisschen dreckig.