Da, wo die Welt noch in Ordnung ist
Das hat es seit Jahren im Düsseldorfer Schauspielhaus nicht mehr gegeben. Nach knapp drei Stunden endete am Samstag die Premiere des Singspiels Im Weißen Rössl mit nicht enden wollendem Beifall für Schauspieler, Bühnenbild und Musiker. Runde acht Minuten dauerte der Schlussapplaus mit Klatschmarsch des Premierenpublikums, das die Akteure gar nicht mehr von der Bühne gehen lassen wollte. Tolle Inszenierung, tolle Darsteller und eine supertolle Stimmung in dem traditionsreichen Haus am Gustaf-Gründgens-Platz, das sich in der jüngsten Vergangenheit schwer tat, die Zuneigung des Publikums zu gewinnen.
Schon als sich der Vorhang im Großen Haus öffnet, kommt der erste Applaus. Jo Schramm hat ein Bühnenbild gezaubert, das seines gleichen sucht. Eine naturgetreue kitschige Postkartenidylle mit einem riesigen Berg samt Gipfelkreuz und jodelnder Briefträgerin (Catherine Stoyan). Und das Weiße Rössl als hübsches, kleines Hotel im Salzkammergut mit Blick auf umliegende Gipfel und den Wolfgangsee mit üppiger Balkonbepflanzung. Hier ist die ganze Welt tatsächlich himmelblau.
Und das Geschäft geht einigermaßen gut. Zwar sind noch ein paar Portionen vom gestrigen Abendessen übrig, aber die werden flugs den durch die Drehtür hereinströmenden Touristen aufgetischt. "Das riecht ja noch nicht", rechtfertigt der Picolo (Martin Schnippa) dieses Abzocken der Touristen unter denen in der Düsseldorfer Fassung gleich vier asiatische Männer sind, die sich im Verlauf des faszinierenden Abends als erstklassige Sänger erweisen sollen. Apropos Musik: Die kommt in diesem Weißen Rössl live von der Bühne. In der Schankstube des Hotels sitzen in Trachtenkostümen acht Musiker, die die Musik von Ralph Benatzky wunderbar intonieren.
Worum geht es im Rössl? Da ist die Wirtin Josepha Vogelhuber (wunderbar: Imogen Kogge), die mit Leopold (grandios: Klaus Schreiber) bereits den 6. Zahlkellner innerhalb kürzester Zeit auf der Lohnliste hat. Sie begrüßt den aus Berlin angereisten Trikotagen-Fabrikanten Gieseke (herrlich: Hendrik Arnst), der mit seiner hübschen Tochter Ottilie (gekonnt berlinerisch: Anna Kubin) anreist. Er vergleicht alles rund um den Wolfgangsee mit Berlin und findet ein ums andere Mal, er hätte besser zuhause Urlaub gemacht. Der Anwalt Dr. Siedler (Florian Jahr) trifft als Stammgast ein, in den die Wirtin ziemlich verschossen ist, was Leopold zutiefst erzürnt, weil doch er sie zunächst unerwidert liebt.
Richtig vertrackt wird die Situation, als sich Gieseckes Erzkonkurrent, der junge Sigismund Sülzheimer (Moritz Führmann) ebenfalls im Rössl einquartiert und sich in Klärchen (herrlich lispelnd: Patrizia Wapinska ), die Tochter des Professors Hinzelmann (wunderbar pathetisch: Pierre Siegenthaler) verliebt. Natürlich verliebt sich Dr. Siedler in Ottilie, Josepha Vogelhuber bricht darüber fast das Herz bis ihr der angereiste Kaiser Franz-Joseph (jovial: Wolfgang Reinbacher) klar macht, dass man sich, mit dem, was möglich ist, bescheiden muss. So löst sich zum Schluss alles auf, zum Guten versteht sich. Schließlich ist man an der Perle des Salzkammerguts.
Immer wieder gibt es bei den einzelnen Szenen Zwischenapplaus des Publikums. Etwa, wenn Leopold mit tränenreicher Stimme singt: "Zuschaun kann' i net....". Oder wenn er völlig vergeistigt seiner angebeteten Chefin hinterschmachtet: "Es muss was Wunderbares sein, von Dir geliebt zu werden." Und wenn sich Sigismund und Klärchen im mit Badeschaum gefüllten Wolfgangsee tummeln und er anschließend den Ohrwurm "Was kann der Sigismund dafür, das er so schön ist" schmettert, dann wollen nicht wenige im vollbesetzten Theater das Lied mitsingen.
Überhaupt die Songs: Seit der Uraufführung des Stücks 1930 in Berlin haben die Lieder nichts von ihrem Charme verloren. "Im Weißen Rössl am Wolfgangsee, da steht das Glück vor der Tür", "Im Salzkammergut, da kam' er gut lustig sein", "Aber meine Herrschaften, nur hübsch gemütlich" und all die anderen Songs tun einfach gut. Dabei ist die Inszenierung von Regisseur Christan Weise nicht nur bieder. Die gehetzten Touristen kriegen ihr Fett ebenso ab, wie die angeblich demokratische Bürgerschaft in der Touristenhochburg oder der Patriotismus der Ortsansässigen. Eine der sicherlich schönsten Szenen spielt oben am Gipfelkreuz, wo Sigismund seinem Klärchen Sprechunterricht erteilt bevor sie dann auf einer Schaukel in den Bühnenhimmel gezogen werden.
Das Schauspielhaus Düsseldorf hat mit dieser Produktion sicherlich einen ähnlichen Renner auf die Bühne gebracht, wie es vor Jahren die Inszenierung Mütter von Franz Wittenbrink war, die über 100 mal gespielt wurde. Das Weiße Rössl hat die Power und den Charme, ein ebensolcher Publikumsrenner zu werden.