Nichts ist sicher!
Despina fegt noch die Reste der gestrigen Schaumparty zusammen. Don Alfonso begrüßt schon mal den Dirigenten des gemieteten Orchesters. Denn es steht ein neues Event an im Club Catarsi, der mit seiner dunklen Holzvertäfelung verdächtig der Bielefelder Oetker-Halle ähnelt: Cosi fan tutte – ein Abend für Paare!
In diesem Rahmen erzählt die junge Regisseurin Julia Hölscher Mozarts Stück über Täuschung und Selbsttäuschung, prickelnde Gefühle und die bittere Einsicht, dass auch die tiefste Partnerschaft kein sicheres Fundament ist.
Zu Beginn stehen sie da, die jungen Paare Dorabella und Ferrando, sehr zurückhaltend und eher konservativ und die ewig turtelnden Fiordiligi und Guglielmo. Und dann entspinnen Event-Manager Alfonso und seine Angestellte Despina die Geschichte von den Geliebten, die angeblich in den Krieg müssen, aber heimlich verkleidet die Treue ihrer Frauen auf die Probe stellen wollen. Und die Paare tun mit, eifrig und ernsthaft die jungen Männer, kichernd zunächst und Gefühle heuchelnd die Damen. Man ist neugierig und hat ja auch bezahlt für einen spannenden Abend, für den man sich ganz bewusst entschieden hat. Das plätschert auch eine Weile munter daher, der Alkohol lockert. Doch dann ist irgendwann der Moment erreicht, an dem die eigenen Gefühle ins Wanken geraten, man das fremde Gegenüber doch anziehend findet. Und dann kippt die Stimmung: Fiordiligi, die wütend und dann rasend ihre Standfestigkeit betont, hat längst gemerkt, dass sie nicht mehr wie ein Felsen ist, dass mit ihr etwas passiert. Wütend verlässt sie die Szene. Doch Alfonso und Despina schaffen es, das Spiel mit dem Feuer wieder zu entfachen.
Susanne Scheerers Bühne kommt ohne viel Requisite aus: Stühle, ein Kleiderständer, mehr bedarf’s nicht für die „unanständige“ Maskerade. Belebt wird das Bild durch den Chor, der Teil des Spiels ist und mal in Tierkostümen über die Bühne streift und einen halluzinogenen Trip bebildert. Dann wieder mit Blätterkopfschmuck ist er der Wald, durch den die getrennten Paare streifen. Julia Hölscher und ihrem Team gelingt ein konsequentes Regiekonzept, das an keiner Stelle gebrochen wirkt und gut zu Mozarts Oper passt. Auch das Gefühlschaos der jungen Paare kommt gut heraus. Dass die Emotionen des Öfteren nicht ganz so tief gehen wie in der Musik angelegt, ist das einzige, kleine Manko dieser Produktion.
Hagen Enkes konzentriert und dennoch mit Spaß singender Chor sind ein Teil der musikalischen Ausgewogenheit an diesem Abend. Das sechsköpfige Ensemble agiert und singt auf sehr guten Niveau und harmoniert bestens. Das ist umso wichtiger, als Cosí fan tutte gerade von den vielen, wunderbaren Ensembles lebt.
Cornelie Isenbürger (Despina) und Evgueniy Alexiev (Alfonso) haben nicht nur den Club Catarsi gemeinsam, sondern auch die Fähigkeit zu wunderbarem Mozart-Gesang. Sie können die kleinen Nuancen der Musik umsetzen und sind auch noch gute Schauspieler.Caio Monteiro ist ein ungestümer Gugliemo, voll Neugier und Tatendrang. Daniel Pataky legt den Ferrando mit ebenmäßigem Tenor eher nachdenklich an. Schön heraus gearbeitet ist, wie er sich immer mehr zu Fiordiligi hingezogen fühlt. Dorabella ist resolut. Und das bringt Melanie Forgeron toll zum Ausdruck. Sie ist die einzige, die sich ohne Reue und mit Genuss auf die Situation einlässt. Melanie Kreuters Indisposition am Premierenabend ist ihr nicht anzumerken. Sie macht die beiden Fiordiligi-Arien zu einer Demonstration perfekten und anrührenden Koloraturgesangs.
Alexander Kalajdzic und die Bielefelder Philharmoniker gehen ihren Mozart sehr sorgfältig an, arbeiten die Perlen der Partitur wunderbar heraus und bieten allen Sängern ein ganz sicheres Fundament.
Und zum Schluss? Despina und Alfonso erwarten bereits die nächsten Kunden; Dorabella ist ganz ruhig, Guglielmo ist das Ganze eher peinlich. Während Ferrando sehr verunsichert. und hin- und hergerissen wirkt, ist Fiodorligi völlig aus der Bahn geworfen - eine wirkliche Schule der Liebenden.