Übrigens …

Aida im Oper Bonn

Es herrscht Krieg im Reich der Pharaonen

Das ist ein echter Hilsdorf! Sein Triumphzug stellt den Höhepunkt einer Aida dar, die ein großes Plädoyer ist gegen Krieg und Kriegstreiber. Doch von vorn: Trügerisch friedlich plätschert der Rhein auf einer projizierten Videosequenz. Die Protagonisten begegnen sich zur Ouvertüre auf der Rheinpromenade und machen stumm das Dilemma der Dreiecksbeziehung deutlich. Hebt sich die Leinwand, wird auf der Bühne die Fortsetzung des Bonner Theatersaals sichtbar. Dieter Richter hat ein kongeniales Bühnenbild gebaut, das Zuschauerraum und Bühne verbindet und einen Spielraum schafft mit dem Publikum in der Mitte – immer Teil des Geschehens.

Auf der Bühne tummeln sich Militärs, die durchaus auch in der Bonner Republik angesiedelt sein könnten, und die Priesterkaste. Die wird von Renate Schmitzer mit gruseligen purpurnen Handschuhen ausgestattet – ein klerikales Symbol, aber auch eines, das auf an den Händen klebendes Blut hindeutet. Gemeinsam bereiten sie den nächsten Feldzug vor. Der tattrige König der Ägypter, von Priit Volmer als eine Art Parodie auf den greisen österreichischen Kaiser Franz Joseph angelegt, kann als Marionette nur mit dem Kopf nicken. Und wenn dann der siegreiche Feldherr zurückkehrt, entfaltet Hilsdorf wieder einmal all’ seine Kunst. Da gibt es verteilte Programmzettel für die Siegesfeier, auf denen die übliche Kriegspropaganda verbreitet wird, die sich über Jahrhunderte nicht verändert hat. Es gibt die swingenden „Memfis Twins“, die bis zur Kenntlichkeit maskierten Vertreter der Rüstungsindustrie tauchen mit Elefantenmasken auf. Und auch der Bonner Oberbürgermeister, der bekanntlich die Oper schließen möchte, kriegt sein Fett weg. Er wird als „großer Förderer der Kultur“ angekündigt. Doch Hilsdorf bricht diese komischen Momente immer wieder. Wenn weißgekleidete Frauen Körbe voller abgeschnittener Arme der Feinde als Zeichen des Sieges hereintragen, wenn Witwen ihre Säuglinge dem nächsten Krieg weihen, hat die grausame Realität schnell wieder Einzug gehalten.

Nach dem „Event“ zeigt Hilsdorf aber auch, dass er menschliche Konflikte wunderbar inszenieren kann. Er stellt Amneris in den Mittelpunkt – wenn sie ihre verlorene Liebe, ihre Schuld und ihren Hochmut im zu früh angezogenen Brautkleid beklagt, sind das zutiefst berührende Momente. Die Liebenden in der Grabkammer hauchen mit dem Kerzenlicht ihr Leben aus. Das ist Verdi pur!

Dieser Verdi ist aber auch ein echter Humburg! Was er und das Beethoven Orchester da zu Gehör bringen, ist vom Allerfeinsten. Da schwillt der Triumphmarsch an, braust auf ohne zu einem Klangbrei zu werden; die Hasstiraden der Amneris werden ebenso schrill herausgearbeitet wie ihre Verzweiflungsattacken ganz fein und sensibel fließen. Und der Todesgesang der Liebenden wird fast zu einem sanften Schlaflied – großartig!

Rolf Broman als Hohepriester lässt mit ehrfurchtgebietendem Bass aufhorchen, Mark Morouse ist ein kämpferischer Amonasro. George Onianis’ Radamès besticht vor allem im Forte. Glanzpunkte im Gestalterischen setzen die Damen: Yannick-Muriel Noah als Aida und Tuija Knihtilä als Amneris schaffen unter die Haut gehende Rollenportraits. Chor und Extrachor unter Volkmar Olbrich werden von der Regie ganz individuell in Szene gesetzt und danken es dem Regieteam mit einer großartigen gesanglichen Leistung.

Dietrich Hilsdorf, Will Humburg, Dieter Richter und Renate Schmitzer  haben mal wieder einen Opernabend geschaffen, der keine Wünsche übrig lässt. Das wird vom Publikum begeistert honoriert.