Ein Tag in der Großstadt
Drei Matrosen in der großen Stadt, die vor ihrem Kriegseinsatz noch einmal etwas erleben wollen. Vierundzwanzig Stunden haben sie Zeit, sich in New York zu amüsieren. Und es werden vierundzwanzig Stunden, in denen ihr Leben durcheinandergewirbelt wird. Es kommt, wie es kommen muss: Liebe, Missverständnisse, Komplikationen und - natürlich - ein Happy End.
Der sechsundzwanzigjährige Leonard Bernstein schickt die Matrosen erstmals 1944 On The Town mit seiner vielfältigen, farbigen Partitur, bei der in keinem Moment auch nur ein Hauch von Langeweile aufkommt. Rasmus Baumann steht am Pult der Neuen Philharmonie Westfalen und entfaltet prächtigen Big Band-Sound mit sattem Bläser- und üppigem Streicherklang. Da ist man sofort mittendrin in der Musikwelt der Vierziger.
Auf der Bühne Schrankkoffer - kleine, mittlere und auch einige mit riesigen Ausmaßen. Mal werden sie zu U-Bahn-Sitzen, Imbiss-Ständen, mal passt eine ganze Nachtbar hinein. Andere stehen da und symbolisieren die New Yorker Skyline.
Carsten Kirchmeier und sein Bühnenbildner Jürgen Kirner haben für die rasante Handlung einen perfekten Ort geschaffen, der schnelles Umbauen ermöglicht und nie den Fluss des Abends unterbricht. Kirchmeier verliert in diesem personenintensiven Stück nie den Überblick, stattet jede Nebenfigur mit individuellen Zügen aus. Und das gelingt ihm wunderbar, auch mit Hilfe der so unglaublich liebevollen, detailreichen Kostüme von Renée Listerdal. Kirchmeier gelingt es immer - trotz des Gewusels auf der Bühne -, das Augenmerk zu lenken auf das zentrale Geschehen, ruhige Momente zu schaffen, um kurz darauf das Chaos wieder hereinbrechen zu lassen.
Das Rückgrat dieser rundherum gelungenen Inszenierung aber bildet die perfekt passende Choreografie von Bridget Breiner. Ihre Tänzerinnen und Tänzer atmen förmlich die Tag und Nacht geschäftige Großstadt. Sie sorgen für das Gefühl von ständiger Bewegung, von Vorwärtsdrang, sind zugleich anonyme Masse und ein Meer von Individuen. In den stillen Momenten, so in einer Traumszene, schaffen sie die leisen, poetischen Bilder.
Die Koproduktion von Ballett und Oper funktioniert perfekt, das gemeinsame Arbeiten hat sich gelohnt: So viele Personen harmonisch, sinnfällig und individuell zu bewegen, erfordert Präzision. Immer gibt es etwas zu sehen und teilweise erinnert die Bühne an ein Wimmelbild, auf dem sich sogar King Kong und die Weiße Frau herumtreiben.
Unter den Solisten bleiben nachhaltig bei den kleinen Rollen die ewig erkältete Lucy von Birgit Brusselmans, Joachim Gabriel Maaß als allzu nachsichtiger Verlobter und Noriko Ogawa-Yatake als ständig betrunkene Gesangslehrerin in Erinnerung.
Gesungen wird durchgängig auf sehr hohem Niveau. Mark E Murphy (Ozzie), Judith Jakob (Hildy) und Dorin Rahardja (Claire) haben die extrovertierteren Rollen und spielen und bewegen sich, dass es eine Freude ist. Michael Dahmen ist ganz das Landei mit schlichtem Gemüt und Piotr Prochera der nachdenkliche Gabey.
Das Musiktheater im Revier liefert ein eindrückliches Plädoyer für Bernsteins Frühwerk. Wer braucht schon den späteren Lloyd-Webber oder gar Frank Wildhorn, die allüberall gespielt werden? Das Publikum ist schwer begeistert!