Grusel im Cabaret
Aurel Bereuter ist ein Conférencier des Bösen, der Alle an unsichtbaren Fäden über die Bühne bugsiert. In Frack und Zylinder lädt er ein ins Cabaret, verspricht Monströses wie die Dame ohne Unterleib, die Frau mit Bart. Doch er zeigt dem geneigten Publikum dann etwas wirklich monströses: wie Versagensängste in Hybris und Geltungssucht münden und zur Katastrophe führen.
Tom Waits und William S. Burroughs erzählen in The Black Rider eigentlich nur die Freischütz-Geschichte. Doch sie blicken ironisch hinter die Fassaden gutbürgerlicher Anständigkeit, geregelten Lebens, suchen nach dem Dunkeln, Schwarzen mit einem umwerfenden Humor.
Und genau diesen Humor bringt Frank Behnke zu vollem Glanz. Er inszeniert eine „Teufelsshow“, die es in sich hat. Inszeniert? Fast ist man geneigt von einer Choreografie zu sprechen. Auf Günter Hellwegs schräger Ebene bewegen sich alle Figuren mit einer kunstvollen, ausgefeilten Präzision, die ihresgleichen sucht. Ferngesteuert sind sie alle , vom Teufel oder einfach nur vom Leben.Wie sie aus geweihbewehrte Bodenklappen aufs Stichwort auftauchen, ihren Sprech- oder Gesangspart abliefern, ist das saukomisch und ein klein wenig gruselig zugleich. Und so entspinnt sich ohne Längen die Geschichte vom Buchhalter Wilhelm, der aus Liebe zur Försterstochter ein Jäger werden will, am Ende zum betrogenen Betrüger wird und einen hohen Preis zahlen muss.
Weniger gruselig denn höchst erheiternd ist der Wechsel zwischen den Sprachen. Klar, gesprochen wird Deutsch und gesungen Englisch. Aber der Wechsel zwischen den Sprachen ist virtuos: Da wird dann schon mal Englisch gesprochen – ein Englisch, das immer deutsch bleibt.
Kristopher Kempf hüllt das Personal in Variationen von Jäger-Loden mit feinen Abstufungen und der Gegensatz zwischen dem schwarzen Teufel und dem silbergrauen, blonden Wilhelm ist prima. Das Tüpfelchen auf dem I ist aber der zierliche, fein geflochtene Teufelsschwanz, der unterm Frack hervorlugt.
Regisseur Behnke gibt dem Schauspielensemble viel Raum zur Entfaltung und den nutzen alle aufs Beste. Florian Steffens schwingt als kauziger Ahn Kuno im Uhrpendel im Hintergrund – eine Art Rübezahl, der sich in guten Ratschlägen übt. Gerhard Mohr, der derzeitige Förster ist schon unheimlich, wenn er lustvoll den Blutrausch bei der Jagd schildert, Komisch in ihrer Betulichkeit Isa Weiß als dessen Gattin. Maximilian Scheidt als in Pelz gehüllter Jägerbursche Robert überzeugt zwiebelkauend ebenso wie Maike Jüttendonk als Käthchen, die zwischendrin schon mal an ihrer Liebe zweifelt. Aurel Bereuter und Christoph Rinke können sich als Antipoden Stelzfuß und Wilhelm so richtig ausleben und tun dies mit großem Vergnügen.
Und das Bemerkenswerte: Alle singen richtig gut und tragen Tom Waits’ teils so melancholisch-morbide Songs wunderbar ins Publikum. Ein so homogen auf hohem Niveau singendes Schauspielensemble hat absoluten Seltenheitswert. Chapeau! Da kann man wirklich niemanden herausstellen - aber vielleicht doch ein kleines Sonderlob für Isa Weiß.
Dass alles perfekt harmoniert, ist sicher auch der musikalischen Leitung vom Michael Barfuß zu verdanken. Der koordiniert das Geschehen vorzüglich. Überhaupt: was er und seine Band (Christine Rudolf, Jürgen Knautz, Klaus Dapper, Stephan Schulze, Martin Speight und Rudi Marhold) leisten, ist allererste Sahne. Besonders die auf den Punkt abgestimmte Begleitung von Bewegungen auf der Bühne durch Geräusche trägt Erhebliches bei zum Gelingen dieser Produktion.
Und man braucht sicher keine treffsicheren, unfehlbaren Kugeln, um vorherzusagen, dass nach dem Geheimnis des Edwin Drood wieder ein Musicalvolltreffer gelungen ist.