Der Freischütz im Köln, Oper

Zu viel gewollt

Der neue Kölner Freischütz gefällt nicht. Das zeigt das Publikum deutlich beim Schlussapplaus. Der lettische Gastregisseur Viestur Kairish will Archetypen, im Mythischen wurzelnde Ur-Figuren bloßlegen. Immer wieder versucht er die Angststeuerung der Figuren durch aufgesetzte sexuelle Ersatzhandlungen zu verdeutlichen. Er lässt die durch die Bank hervorragend spielenden und sprechenden Sänger mal grotesk übertreiben, mal unterspielen, mal einen Mittelweg suchen und taucht das Spiel in eine oft postmodern schal wirkende Zitaten- und Anspielungsmaschine, befeuert von optischen Zirkusmetaphern. Momentweise gelingt das durchaus. Dann ist es kurz witzig oder es entstehen – wie in der Max-Arie oder dem Jungfernkranz-Chor – sogar intensive, erhellende Momente. Aber Kairish will zu viel. Und vor allem hält er seine Perspektive nicht durch. Er wird zwischendurch immer wieder schrecklich brav, lässt sich von Ieva Jurjane eine fast klassische, nur mit Clowns beschossene Wolfsschlucht bauen – mit Mutters Geist und allem Pi-Pa-Po – und choreographiert das berühmte Finale genauso behäbig wie ehedem.

Und die Musik kann kaum helfen. Man hat zwar vor einem Jahr eine elektro-akustische Anlage in die Oper am Dom eingebaut, die eigentlich ein Musical-Haus ist, kriegt aber auch damit die Klangwelt des Freischütz nicht in den Griff. Die vielen (rosa!) Vorhänge auf der Bühne tun ein Übriges. Über weite Strecken ist das Orchester kaum zu vernehmen. Wo doch, klingt es flüssig und präzise. GMD Markus Stenz macht in seiner letzten Kölner Premiere viele Unterstimmen hörbar, sucht spürbar das besondere Detail, die gewagte Überspitzung. Aber die Akustik hält den Deckel drauf. Die sorgt auch dafür, dass sich der vorzügliche Chor schlank und federnd anhört. Schön das Brautjungfern-Quartett, solide Paul Armin Edelmann als Ottokar, Dirk Aleschus als Kuno und der darstellerisch viel beschäftigte Martin Koch als Kilian; mit außergewöhnlichem Stimmmaterial begabt der junge, hier optisch entstellte Eremit des Young Doo Park. Renato Schuch – als Samiel in Joker-Maske – soll böse und unangenehm sein und gleichzeitig den Pausenclown geben, was er professionell verrichtet. Gloria Rehms Ännchen wird durch ihr tortiges Kostüm bloß gestellt und verkleinert. Die Sängerin brilliert, wo es stimmlich möglich ist und scheint immer mal wieder die Lust zu verlieren. Der Kaspar von Oliver Zwarg findet sich im Dialog, bleibt gesanglich aber merkwürdig unauffällig. Bleibt ein Protagonistenpaar, wie es unterschiedlicher kaum sein könnte. Andreas Schager geht den Max mit Verve an und zwingt seiner eher bei Siegfried und Tannhäuser beheimateten Riesenstimme immerhin das eine oder andere Piano ab, ist aber eigentlich der Partie bereits entwachsen. Die Agathe von Claudia Rohrbach hingegen bahnt mit ihrem Rollendebut einen Fachwechsel erst an, singt kontrolliert, intoniert glasklar und lässt die Partie lyrisch leuchten.

Bleibt nur noch zu sagen: Alles Gute, Markus Stenz!