Übrigens …

Der gestiefelte Kater im Köln, Kinderoper

Wie man das Spiel spielt

Das Märchen vom Gestiefelten Kater wurde mindestens dreimal für die Musikbühne adaptiert. Als Letzter machte Günter Bialas (auf einen Text von Tankred Dorst) eine komische Oper daraus, die 1975 vom Ensemble der Hamburgischen Staatsoper in Schwetzingen aus der Taufe gehoben wurde. Essen folgte 1979, danach kümmerte sich allem Anschein nach niemand mehr um das Werk. Der Untertitel Wie man das Spiel spielt deutet übrigens einen intellektuellen Anspruch an, welchen vor Bialas die Komponisten César Cui und Xavier Montsalvatge nicht erhoben. Beide schrieben somit ausgesprochene Kinderopern, die als solche in den letzten Jahren mehrfach in die einschlägigen Programme von Theatern aufgenommen wurden. Die Cui-Oper von 1913 beispielsweise wurde auf der Werkstattbühnen der Berliner Staatsoper gespielt, ebenso in Dresden und Straßburg. Die Version des Katalanen Montsalvatge aus dem Jahre 1947 erfuhr eine Produktion in Kooperation von Düsseldorf/Duisburg und Dortmund; diese soll demnächst auch von Bonn übernommen werden. Jetzt kam das Werk als Neuinszenierung der Kölner Kinderoper heraus. Mit einer Spieldauer von 45 Minuten ist das Werk besonders kindertauglich, und seine melodisch üppige Musik errichtet keinerlei Hörbarrieren. Grundsätzlich ist Montsalvatge jedoch ein Komponist mit offenem Sinn für musikalische Neuentwicklungen.

Die vor allem durch die Brüder Grimm bekannt gewordene Geschichte vom Gestiefelten Kater hat historische Wurzeln. Die beiden vermutlich wichtigsten sind bei Charles Perrault („Le chat botté“) und der Komödie von Ludwig Tieck zu finden. Wie alle Märchen enthält auch der Gestiefelte Kater psychologische Hinter- und sogar Abgründe, wie u.a. von Eugen Drewermann analysiert. Montsalvatge bzw. sein Librettist Néstor Luján beschränken sich auf die farbige Erzählgeschichte. Nach dem Motto “Hilfst du mir, helfe ich dir“ hebt die Handlung an. Der jüngste Sohn eines Müllers hat von seinem verstorbenen Vater lediglich einen Kater vererbt bekommen, dem er (gruseliges Motiv) das Fell über die Ohren ziehen möchte, um wenigstens zu einer wärmenden Mütze zu kommen. Das kluge Tierchen erkauft sich indes sein Leben durch die Versprechung, dem Müllerssohn zu einem glanzvollen Leben zu verhelfen. Mit Tricks und kleinen Lügen schafft er es tatsächlich, ihn als Grafen Soundso beim Landeskönig beliebt zum machen. Der junge Mann bekommt sogar die Prinzessin zur Frau, und der Kater wird Minister.

Man muss schon ziemlich genau auf den Text hören, um die Handlungsentwicklung nachvollziehen zu können. Ob das den kleinen Zuschauern beim gesungenen Wort immer gelingt? In Köln hielten sie sich erkennbar vornehmlich an das bunte Bühnentreiben. Und da spart die Inszenierung PiaMaria Gehles an keiner Stelle. Die Kostüme Thomas Unthans sind farbenfroh und skurril (geradezu rasant die Frisur der Prinzessin), die Bühne wartet mit einem malerischen Wüstenpanorama auf und wird zuletzt von einem glitzernden Lametta-Vorhang eingeschlossen.

PiaMaria Gehle war eine Zeit lang Intendantin des Kölner Keller-Theaters, gab aufgrund schwieriger finanzieller Verhältnisse dieses Amt aber auf und arbeitet jetzt wieder als freie Regisseurin. Es war eine schöne Idee der Kölner Oper, sie mit dem Kater zu einer ersten Auseinandersetzung mit einem für sie neuen Genre zu motivieren. Drei Wochen, so erzählt PMG, hatte sie für ihre (von Sängerkrankheiten etwas überschattete) Arbeit Zeit. Das Ergebnis macht ausgesprochen Spaß, und einmal mehr erlebt man mit Freude, welches Spieltemperament die jungen Mitglieder des Opernstudios für ihr adoleszentes Publikum mobilisieren. Bei den Kleinen verraten die Gesichter wie immer sehr viel. Wenn ein Bub nach dem Schwanz des Katers greift, wenn ein anderer mit den Händen das Lametta teilt, um zu sehen, was sich dahinter verbirgt, erlebt man unmittelbare Reaktionen, wie sie Erwachsenen manchmal schon abhanden gekommen sind. Insofern ist eine Aufführung in der Kölner Kinderoper niemals nur ein künstlerisches, sondern auch soziales Erlebnis der besonderen Art.

PiaMaria Gehle erzählt, wie bereits angedeutet, die Kater-Geschichte mit viel Spielwitz, tempobeweglich und publikumsoffensiv. Eine spezifische Musiktheatersprach kann man in ihrer Inszenierung sicher noch nicht erkennen. Der Unterhaltungswert reicht für das hübsche Werk aber voll aus.

Auf der Orchesterempore spielen Gürzenich-Musiker unter Oliver Imig eine Kammermusikfassung der Oper durch Albert Guinovart, der auch ohne Kenntnis der Originalpartitur Farbigkeit und Spritzigkeit zu attestieren ist. Alle jungen Sänger setzen sich mit Haut und Haaren für ihre Aufgaben ein. Da sollte nicht akribisch benotet werden. Deshalb ein summarisches Lob für Marta Wryk, Erika Simons, Lucas Vanzelli, Marcelo de Souza Felix und Luke Stoker.