Übrigens …

Into the Woods im Oberhausen, Theater

Spannungslos

Jürgen Sarkiss hängt vor einem Fernsehgerät der 1950er/60er Jahre, in einem Wohnzimmer, das genauso abgerissen wirkt wie der ganze Mann. Gar nicht so der Typ, den man sich unter einem Märchenerzähler vorstellt. Doch er macht genau das ganz eindringlich. Aber was heißt schon „Märchen“? In Oberhausen erzählt Sarkiss gleich ein halbes Dutzend von ihnen, die irgendwie durcheinander geraten sind... In Stephen Sondheims Into the Woods kommen nämlich viele bekannte Märchenfiguren vor. Sondheim nimmt die vor einiger Zeit aktuell diskutierten psychologischen Ausdeutungen Grimmscher Märchen als Grundlage für sein Musical. Er vermischt diverse Märchen und schickt die Akteure in einen Wald - Symbol für Dickicht und Verworrenheit von Lüsten, Wünschen und Trieben. Rotkäppchen, Aschenputtel und das dazu gehörende Personal sind unsicher und irritiert ob ihrer eigenen - auch sexuellen - Fantasien. So lassen sich die beiden Prinzen vom Wunsch nach Promiskuität von überkommenen Moralvorstellungen abhalten, Hans (der mit der Bohnenstange) leidet zum Gotterbarmen an seiner Übermutter, Rotkäppchen ist Lolita in Person und der arme Bäcker will es allen Recht machen. Stoff genug also für viele Sitzungen beim Psychiater, Stoff genug auch für einen spannenden Musicalabend.

Doch all das hat in Peter Carps Oberhausener Inszenierung kaum einen Platz. Dort gibt es eine Caravan-Siedlung, die in den USA denen Platz bietet, die sich keine andere Wohnung mehr leisten können - und einen Wald aus abgestorbenen Bäumen, wie er in jeder zweiten Freischütz-Inszenierung der letzten zehn Jahre zu sehen war. Das ist ganz schön einfallslos. Auch zu den Figuren ist Carp nicht wirklich viel eingefallen. So sind die beiden Prinzen von Anfang bis Ende harmlose pubertierende Jünglinge; Aschenputtel, die sich emanzipiert von allen Bevormundungen durch Stiefmutter und Prinz, bleibt in Oberhausen total verhuscht. Einzig Rotkäppchens doch von einiger Neugier geprägte Beziehung zum bösen Wolf sorgt da für etwas Pfiff.

Carp lässt seine Akteure - zum großen Teil Studierende der Essener Folkwang-Universität der Künste - scheinbar allein. Er vertraut offensichtlich auf deren Improvisationsfähigkeit und vergisst, dass Schauspiel– und Musical-Ausbildung zwei ganz verschiedene Paar Schuhe sind. So wirken die Darsteller auf der Bühne oft verloren - zumal auch die Choreografien eher hausbacken daher kommen. Dazu kommen die oft plump-banalen deutschen Reime von Michael Kunze.

Doch das junge Darsteller-Team ist mit ganz viel Liebe und Engagement bei der Sache und es zeigt eine Menge Musical-Talent auf der Bühne. Die Combo unter Patricia Martin bringt Sondheims Sounds von sprühender Vitalität bis zur stillen Melancholie prima zur Geltung.

Und dennoch will da so recht nichts zünden. Dem Musicalzweig der Folkwang-Uni hätte man im 25. Jahr seines Bestehens einen umsichtigeren Kooperationspartner gewünscht, der die Früchte dieser Ausbildung angemessen zur Geltung hätte bringen können.