Die Entführung aus dem Serail im Dortmund, Oper

Integration ist nur ein frommer Wunsch

Multikulti? Ja, von wegen. Das funktioniert nämlich nur, solange alle Verhältnisse geklärt sind. Und die sind in Jens-Daniel Herzogs Entführung aus dem Serail scheinbar wie aus Stein gemeißelt.: Im einem Mietshaus, das überwiegend von türkischstämmigen Bürgern bewohnt wird, hat Bassa Selim das Sagen und betreibt dort eine Firma. Im Erdgeschoss ist die Döner-Bude seines Freundes Osmin.

Das Haus, das Mathis Neidhardt baut - ein etwas angegammeltes Objekt aus den 1960er Jahren -, könnte in jeder Großstadt stehen. In Duisburg-Marxloh genauso wie im Dortmunder Norden. Und dass der Bassa und Osmin deutsche Angestellte haben, ist auch kein Problem, denn es ist ja eigentlich alles geregelt – wenn da die Liebe nicht wäre. Die bringt nämlich alles durcheinander und lässt Vorurteile wieder aufbrechen. Okay, der Bassa liebt seine Sekretärin Konstanze und will sie heiraten, Osmin hat ein Auge geworfen auf die kesse Blonde, die bei ihm den Döner vom Spieß schabt – doch die beiden Damen fürchten sich ganz offensichtlich, scheinbare kulturelle Grenzen zu überschreiten und Brücken abzubrechen. Und so kommen der scheinbar gutsituierte Belmonte und der Laufbursche Pedrillo ins Spiel, wollen ihre Angebeteten herausholen – und das ohne Zukunftsperspektive. Den Bassa beklauen und ab durch die Mitte – das ist der Plan.

Und so kommt es wie immer, wenn Situationen sich zuspitzen: es werden Vorurteile hervorgekramt, durchdekliniert und das Resultat ist Gewalt. Am Ende ist der Bassa Selim großzügig, verzeiht alles ihm Angetane und – erschießt sich. Ob wegen Verlust seiner großen Liebe oder aus Resignation, weil’s eben doch nicht klappt mit dem Zusammenleben der Kulturen – das mag jeder selbst entscheiden. Serdar Somuncu macht das ganz großartig. Jens-Daniel Herzog legt eine absolut geschlossene Deutung der Entführung aus dem Serail vor. Die von Anfang bis zum Ende einfach zwingend ist – unterstützt durch die konzisen, perfekt passenden gesprochenen Dialoge.

Und warum zündet das beim Dortmunder Premierenpublikum dennoch nicht? Das lag zum einen daran, dass viele doch mit den Gedanken bei der Borussia im Pokal-Endspiel waren, wie zahlreiche Fanschals belegten. Außerdem ist das Libretto einfach doch sehr altbacken und läuft dem Geschehen auf der Bühne bisweilen entgegen.

Wie schwer Mozart-Gesang ist, wird auch in Dortmund wieder erfahrbar. Perfekt ist als Pedrillo Fritz Steinbacher, der seinen hellen, klaren Tenor spielend perlen lässt. Tatjana Weimerich ist eine sehr quirlige Blonde, die aber manchmal über Koloraturen ein wenig „hinweghuscht“. Wen Wie Zhang ist ein sehr, nicht immer im besten Sinn, routinierter Osmin. Was ihm – gerade für eine Oper die auch Sprache enthält – fehlt, ist die Sicherheit im Umgang mit dem deutschen Idiom. Und für das „hohe Paar“ gilt das Gleiche: Eleonore Maguerre als Konstanze und Lucian Krasznec als Belmonte verfügen über schöne Stimmen, die aber bisweilen in der Höhe zu Schärfen neigen.

Auch die Dortmunder Philharmoniker unter Motonori Kobayashi haben bei der Premiere nicht ihren besten Tag. Mozarts filigrane Partitur verzeiht eben nichts und so sind einige Unsicherheiten zu vernehmen und auch die Koordination zwischen Graben und Bühne ist nicht immer perfekt.

Aber so kann’s gehen – auch bei den Borussen läuft trotz optimaler Vorbereitung nicht immer alles rund.