Übrigens …

Die Banditen im Aachen, Theater

Witzige Räuberpistole

Wer ist in Offenbachs Les Brigands mit der Titulierung „Bandit“ gemeint? Die im Wald lebenden Räuber, welche sich mit Überfällen und sonstigen Ungesetzmäßigkeiten kleinerer Art über Wasser halten, oder die Bestohlenen? Bertolt Brecht sollte diese Frage später mit dem Satz kommentieren „Was ist der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“ Auch Offenbach wäre nicht Offenbach, wenn er in seiner Opéra bouffe die traditionelle Moralsicht verföchte. Die Anspielungen auf reale Umstände seiner Zeit sind auf der Bühne heute optisch kaum noch umsetzbar, das würde eine Inszenierung sicher nur lähmen. Aber die Grundsituation (welche ein Jahrzehnt nach den Brigands auch von Arthur Sullivans Pirates of Penzance erneut thematisiert wurde) reicht aus, um sich einen hintergründigen Jux zu machen. Das geht sogar in historischem Ambiente, wie etwa Kurt Hoffmanns filmische „Räuberpistole“, der Film Das Wirtshaus im Spessart, beweist. In der Aachener Offenbach-Aufführung steckt Katharina Gault die Herren zwar weitgehend in Straßenanzüge, doch bleiben bei dieser dezenten Modernisierung Möglichkeiten genug, um das Auge des Zuschauers opulent zu bedienen.

Auf der Bühne von Piero Vinciguerra, die zunächst mit Mülltonnen Outlaw-Atmosphäre suggeriert, ist sofort wahnsinnig viel los. Wer warum dauernd in Bewegung ist, wer was im Einzelnen tut, lässt sich der Inszenierung Alexander von Pfeils nicht immer exakt entnehmen. Andererseits spürt man sofort, dass dieser Abend ein höchst vergnüglicher wird. Pfeil bringt sein Ensemble permanent auf Trab. Etliche Partien sind aus dem Chor besetzt, das bedeutet für die „Betroffenen“ viel Motivation. Teilweise wirken auch reine Schauspieler mit. Bei Björn Jacobsen, welcher den lebenslustigen und -durstigen Prinzen von Mantua gibt, reicht das Singvermögen nota bene aus; Fehlendes wird durch Charme ausgeglichen. Mit dem verklemmten, geilen und das ihm anvertraute Geld großzügig verwaltenden Schatzkanzler Antonio hat Rainer Krause eine Figur zu porträtieren, in welcher drastisches Chargieren bereits angelegt ist. Anzunehmen ist gleichwohl, dass der selige Gustaf Gründgens bei seinen Nachkriegsauftritten die Figur etwas anders konturierte.

Beim Sinfonieorchester Aachen unter Volker Hiemeyer wird die Grenze zum Ruppigen allerdings recht häufig überschritten. Selbst mit dem wilden Gewimmel auf der Bühne ist das nicht legitimiert. Die Musik klingt in summa entschieden zu krachledern. Dass Offenbach ein subtiler, klanglich witziger Komponist war, geht auf diese Weise unbotmäßig unter.

Großen Spaß macht der Abend gleichwohl, zumal er das gesamte Ensemble zu herrlicher Spiellaune animiert. Irina Popova beispielsweise hat man noch nie derart aufgekratzt gesehen wie als Prinzessin von Granada. Patricio Arroyo geht als Räuberhauptmann Falsacappa ebenfalls köstlich aus sich heraus, bleibt (auch gesanglich) aber vielleicht eine Spur zu sehr Gentleman. Dafür ist Rüdiger Nikodem Lasa als sein Kumpel Pietro eine wirklich urige Type. Auch Andreas Joost, als Sänger seit einiger Zeit offiziell a.D., beweist als Graf Gloria Cassis wie auch als Koch sein komödiantisches Können und bietet weiterhin imposante Tenortöne. Ihm gilt zum Schluss (wie auch Rainer Krause) besonders starker Beifall. Beim Liebespaar Fiorella/Fragoletto erfreut neben aller Spiellaune in besonderer Weise auch das Singen. Jelena Rakic zwitschert als emotional ständig neu entflammte Räubertochter wie eine Lerche, die im blauen Himmel schwebt, Joelle Charlier steuert klangvolle Octavian-Töne bei.

Der wirbelwindige Abend kam beim Publikum bestens an. Die in der Tat aufmunternde Unterhaltungskost passt für eine Sommerzeit, die am temperaturschwülen Premierenabend zunächst mit etwas Lethargie begonnen hatte. Nachzutragen wäre noch, dass die Mischung aus original französischen Gesangsnummern und deutschem Dialogtext (von Pfeil bearbeitet) aufführungspraktisch durchaus empfehlenswert ist.